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AK-Magazin Nr. 12 - August 1999

Nach der BAT-Übernahme am 14. Juli 1999

Alle Jahre wieder?

 

Vier Gegenstimmen - das war's. Die BAT-Tarifübernahme in die AVR 1999 war perfekt. Doch um welchen Preis! Eine neue Härtefallklausel ziert die AVR (die Nr. XVII der Anlage 1). Die AK selbst hat sich auch nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert. Sie wird einiges zu tun haben, ihre Reputation wiederherzustellen. Denn der nächste Tarifabschluß kommt bestimmt - und dann da capo das ganze Theater, wie 98 und 99?

Es hat sich (wieder mal) gezeigt, daß am BAT im gesamten Kirchen- und Sozialbereich kein Weg vorbeiführt, mag seine Übernahme auch noch so geschickt mit Umschreibungen wie ABD, AVO, KAVO, AVR oder sonstwie getarnt werden. Selbst Diakonie, AWO, Rotes Kreuz oder die Paritäter nehmen ihn zum Maßstab, wenn sie ihre Gehälter absenken wollen.

Die BAT-Übernahme schützte bislang Einrichtungen und Dienste vor den Folgen von Tarifauseinandersetzungen. Wie die werden könnten, erlebten AK-Mitglieder jüngst in Bad Honnef und in Mainz, als ihnen schrilles Getriller demonstrierender Caritäter live den Unmut über die Erhöhungsverzögerungen signalisierte.

Es ist davon auszugehen, daß niemand in der AK Tariffindung in der eigenen Einrichtung oder gar mit der eigenen MAV ernsthaft in Erwägung zieht. Denn dafür fehlt es so ziemlich an allem, nicht nur an Tarifmächtigkeit. Man sollte sich daher Gedanken machen, wie man wieder zu einer diskussionslosen Übernahme des BAT-Vergütungssystems kommen kann. Denn es macht ja durchaus Sinn, das Vergütungsproblem einem "neutralen Dritten" zur Lösung zu überlassen, um dann selbst unbeschädigt als "lachender Dritter" die Früchte dieser Bemühungen zu ernten.

Wie wäre es denn, in die AVR automatisch die in den jeweiligen Bistums-/Regional-KODAen vereinbarten Vergütungen zu übernehmen? Das wären gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe: Die Anbindung an den BAT bliebe indirekt erhalten, Kirche und Caritas hätten in jedem Bistum denselben Vergütungsabschluß, der Anschluß an die allgemeine Lohn- und Gehaltsentwicklung wäre gewahrt, der geforderten "Regionalisierung" der Vergütungen wäre Rechnung getragen, der Bischof ersparte sich eine Unterschrift und die AK könnte sich rühmen, als einzige KODA nicht BAT, sondern "rein kirchliche" Vergütungen zu übernehmen.

Dann wären eben die KODAen der "neutrale Dritte", der für die Caritas die Kohlen aus dem Feuer der Marktwirtschaft holte. Und die Caritas müßte sich nicht mehr jedes Jahr selbst die Finger verbrennen. Das Nachdenken über so eine Lösung könnte sich lohnen. Denn statt sich über Lohnprozente zu zanken, hätte man Kapazitäten frei für die Erarbeitung wirklich caritaswürdiger Lösungen. Statt sich um Einmalzahlungen, Prozente oder Inkraftsetzungstermine zu kloppen, könnte man z.B.

  • die Mobilzeitordnung mit den im öffentlichen Dienst ausgehandelten Ergebnissen und den zwischenzeitlich in den eigenen Einrichtungen gemachten Erfahrungen vergleichen und entsprechend optimieren,
  • eine Regelung mit Einstiegstarifen für Ungelernte und Langzeitarbeitslose erarbeiten, die eben nicht die Aufrechterhaltung dieser Minderqualifikation zum rechnerischen Wohl der Caritas im Auge hat, sondern eine Nach-Qualifikation der Betroffenen, um sie nach einem bestimmten Zeitraum in das "normale Tarifgefüge" der AVR oder in den "Markt" zu integrieren,
  • endlich die tariflichen Grundlagen für einen "Solidaritätsfond" erarbeiten, mit dessen Hilfe das Risiko des Arbeitsplatzverlustes in sanierungsbedürftigen Einrichtungen auf viele Schultern anstatt nur auf die der unmittelbar Betroffenen verteilt würde,
  • Alternativmodelle zur Zusatzversorgung entwickeln, die den oft unterbrochenen Berufskarrieren von Frauen unschädlich und adäquater entgegenkämen als die bislang männlich geprägte Voraussetzung eines ununterbrochenen Versicherungsverlaufes,
  • Modelle einer tariflichen Mitarbeiterbeteiligung entwickeln, die die wirtschaftlichen Grundlagen einer Einrichtung auf eine breitere Basis stellten und völlig neue Anreize für die Motivation von Mitarbeitern böten. (Wem das zu utopisch erscheint, der sollte mal darüber nachdenken, warum Mitarbeiter zwar gut genug sind, sich über "Sparmaßnahmen" mit ihrem Gehalt an der Sanierung ihrer maroden Einrichtung zu beteiligen, aber nicht für wert gehalten werden, ihr Kapital in eine dann (hoffentlich) florierende Einrichtung zu stecken.

Es gäbe so viel zu tun, wenn man sich nicht jedes Jahr sinnlos um's Geld streiten müßte. Wer macht mit?

wbf

 


Hinweise zu den Beschlüssen der AK vom 14. Juli 1999
von Wilderich v. Fürstenberg,
arbeitsrechtlicher Berater der Mitarbeiterseite in der Arbeitsrechtlichen Kommission

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
mit den Juli - Beschlüssen hat die AK Ihnen weitere Mitbestimmungsfelder erschlossen, die Sie hoffentlich nicht als Bürde, sondern als Stärkung Ihrer wirtschaftlichen Mitverantwortung empfinden. Es sind zwei neue Sachverhalte (Kurzarbeit und Verschieben der Gehaltserhöhung 1999) hinzugekommen, die durch Dienstvereinbarungen geregelt werden können. Sofern Sie meinen, Ihre Fachkompetenz reiche - auch nach Lektüre der nachfolgenden Hinweise - nicht aus, die komplizierte Materie zu bewältigen, empfehlen wir Ihnen, sich durch die Diözesane Arbeitsgemeinschaft oder andere Außenstehende beraten zu lassen. Die Kosten sind durch § 17 MAVO gedeckt; über deren Höhe sollten Sie Ihren Dienstgeber rechtzeitig informieren und sich ggfs. die Kostenübernahme zusichern lassen.


Freiwillige Dienstvereinbarungen

Die beiden angesprochenen Bereiche erlauben Regelungen durch freiwillige Dienstvereinbarungen. Die Bezeichnung "freiwillig" bedeutet, daß die Dienstvereinbarungen durch einen Schlichtungsspruch weder erzwungen noch ersetzt werden können. § 38 MAVO in der jetzigen Fassung ist nach Auffassung vieler Experten keine Rechtsgrundlage für derartige Dienstvereinbarungen. Auf den Meinungsstreit in dieser Frage soll hier nicht eingegangen werden. Es ist vorgesehen, die Vorschrift AVR - gerecht zu ändern (zu novellieren). In Bistümern, die die novellierte Fassung des § 38 MAVO noch nicht in Kraft gesetzt haben, können die erforderlicher Vereinbarungen zwar getroffen werden. Sie sind aber solange unverbindlich, bis die Änderung des § 38 im kirchlichen Amtsblatt veröffentlicht ist. Den Bischöfen wurde empfohlen, die Änderung rückwirkend vorzunehmen.


Kurzarbeit

Auf Antrag der Mitarbeitervertreter hat die AK die bisherige Fassung des § 1 Absatz (5) der Anlage 5 ("Die Einführung von Kurzarbeit ist nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zulässig") durch eine differenzierte Regelung ersetzt. Sie lehnt sich an den Tarifvertrag der Metallindustrie Nordrhein - Westfalen an. Mit der Verabschiedung einer Kurzarbeitsregelung wird akzeptiert, daß Einrichtungen der Wohlfahrtspflege im Wettbewerb untereinander stehen. Sie sind unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten, die - wie in der gewerblichen Wirtschaft - zu Kurzarbeit führen können. Andrerseits wird mit der Neufassung Urteilen des Bundesarbeitsgerichts entsprochen, die in dem ursprünglichen AVR - Text ( er entsprach der Formulierung des BAT) keine ausreichende arbeitsrechtliche Ermächtigungsgrundlage sahen: Kurzarbeit könne, so das Gericht, auf tariflicher Basis nur eingeführt werden, wenn wenigstens die Voraussetzungen, der Umfang und die Höchstdauer geregelt seien. Ferner erleichtert die Kurzarbeitsregelung die Anwendung der Öffnungsklauseln der Abschnitte XVI und XVII der Anlage 1. Beide Öffnungsklauseln verlangen nämlich eine Prüfung, ob Kurzarbeit zur Lösung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten einer Einrichtung führen kann.
Im Zuge der vom staatlichen Gesetzgeber in den letzten Jahren verordneten Einsparungen im Sozialbereich sehen sich vor allem Einrichtungen des Gesundheitswesens und des Heimbereichs vermehrt vor die Frage gestellt, wegen rückläufiger Auslastung Personal entlassen zu müssen. Diese Folge kann durch Kurzarbeit vermieden werden, der Dienstgeber behält seine eingearbeiteten Mitarbeiter, die Mitarbeiter behalten ihren Arbeitsplatz.

Voraussetzungen

Kurzarbeit setzt Arbeitsausfall voraus. Bei dem Arbeitsausfall muß es sich um eine unvermeidbare, vorübergehende Erscheinung handeln, die auf wirtschaftlichen Ursachen oder auf einem unabwendbaren Ereignis beruht. Auch Strukturveränderungen, die auf wirtschaftlichen Ursachen beruhen, können Kurzarbeit rechtfertigen. Kurzarbeit ist nicht zulässig bei saisonüblichen oder betriebsüblichen Auslastungsschwankungen. Sie ist ferner unzulässig, wenn die Auslastungsschwankungen durch betriebsinterne Maßnahmen aufgefangen werden können. Zu diesen Maßnahmen zählt die Urlaubsgewährung, freilich mit der Maßgabe, daß niemand verpflichtet ist, einen bereits im Urlaubsplan festgelegten oder genehmigten Urlaub zu verlegen. Während des Urlaubs wird das Gehalt nicht gekürzt, nur dann, wenn der Urlaub durch arbeitsfreie Kurzarbeitstage verlängert wird. Auch Versetzungen, Umsetzungen sowie die Nichtverlängerung von Zeitverträgen können Kurzarbeit vermeiden. Auslastungsprobleme, die mit Hilfe eines Arbeitszeitkontos lösbar sind, schließen Kurzarbeit aus. Das Arbeitszeitkonto wird allerdings wegen seiner geringen Aufnahmefähigkeit als Problemlöser weitgehend ausscheiden. Die MAV kann nicht verpflichtet werden, zur Abwendung von Kurzarbeit in Arbeitszeitkonten einzuwilligen.

Über weitere Einzelheiten informieren die Arbeitsämter. Es ist durchaus üblich, daß Mitarbeiter der Arbeitsverwaltung vor Ort an Verhandlungen teilnehmen und strittige Fragen vorab klären. Außerdem hält das Arbeitsamt Merkblätter bereit.

Inhalt der Dienstvereinbarung

Mit der Neufassung des Absatzes (5) erlauben die AVR, Kurzarbeit einzuführen, nachdem zuvor eine freiwillige Dienstvereinbarung abgeschlossen wurde. Der Abschluß einer Dienstvereinbarung wird nicht dadurch ersetzt, daß alle betroffenen Mitarbeiter der Arbeitszeitverkürzung zustimmen. Andrerseits werden auch diejenigen von der Dienstvereinbarung erfaßt, die ihr nicht zustimmen, sondern dagegen sind. Mit Personen, die nicht unter die MAVO fallen, sind einzelvertragliche Abmachungen zu treffen.
In der Dienstvereinbarung ist mindestens zu regeln, wer wann und wie lange in welchem Umfang von Kurzarbeitsmaßnahmen betroffen ist. Selbstverständlich erhält die MAV alle erforderlichen Informationen. Sie muß schließlich gegenüber der Arbeitsverwaltung eine Stellungnahme abgegeben. Ferner ist ihr ein eigenes Anzeige-/Antragsrecht gegenüber dem Arbeitsamt eingeräumt, sie kann selbst die Initiative ergreifen, sie ist gleichberechtigter Partner. Für abzugebende Erklärungen hält das Arbeitsamt Musterformulare bereit, die überwiegend im Ankreuzverfahren ausgefüllt werden.
Die von Kurzarbeit Betroffenen müssen spätestens eine Woche vorher unterrichtet werden. Die AK hat nicht festgelegt, wer die Unterrichtung vornimmt. Der Hinweis, die Information solle in einer Mitarbeiterversammlung erfolgen, unterstreicht jedoch die Verantwortung der MAV. Sie ergibt sich zusätzlich daraus, daß die MAV zusammen mit dem Dienstgeber die Kurzarbeitsbereiche festgelegt und damit über die Einkünfte der Betroffenen entschieden hat. Im Gegensatz zu Dienstvereinbarungen nach den Abschnitten XVI und XVII der Anlage 1 zielt Kurzarbeit nicht darauf, die Solidarität aller herbeizuführen. Sie bezieht nur diejenigen ein, in deren Bereich Arbeitsausfälle unvermeidbar sind. Anders als bei der Herabsetzung der Arbeitszeit nach Abschnitt XVI werden jedoch die Einkommensverluste durch die Zahlung von Kurzarbeitergeld größtenteils kompensiert.

Unverzüglichkeit und vorläufige Maßnahmen

Auf Drängen von Dienstgebervertretern, die uneinsichtige Mitarbeitervertretungen befürchteten, ist festgelegt, die MAV habe ihre Kurzarbeitsentscheidung "unverzüglich" - nach gesetzlicher Definition: ohne schuldhaftes Zögern - zu treffen, und der Dienstgeber könne bis zur Entscheidung vorläufige Maßnahmen treffen. Der Begriff "unverzüglich" wurde dem Tarifvertrag der Bekleidungsindustrie entnommen. Bei den "vorläufigen Maßnahmen" wurde der ursprünglich vorgesehene Zusatz "in Anlehnung an § 33 Absatz (5) MAVO" fallen gelassen. Die mit der Kurzarbeitsregelung befaßte Arbeitsgruppe wollte dem kirchlichen Gesetzgeber keinen Anlaß zu Vorhaltungen liefern, die AK habe unzulässigerweise die MAVO erweitert.
Die Dienstnehmerseite in der AK hat den Formulierungen zugestimmt, obgleich sie die Befürchtungen der Dienstgeberseite für grundlos hält. Sie ist der Auffassung, eine MAV werde bei der Vermeidung von Entlassungen niemals blockieren. Eine solche Haltung widerspräche sämtlichen Erfahrungen, die die Arbeitsverwaltung im Laufe von Jahrzehnten gesammelt hat. Die vorläufigen Maßnahmen dürfen nicht dazu führen, daß die zwingend mit einer Woche bemessene Ankündigungsfrist zwischen Abschluß der Dienstvereinbarung und dem Beginn der Kurzarbeit verringert wird. Gedacht ist vielmehr daran, vorbereitende Maßnahmen im Hinblick auf die Kurzarbeit zu ermöglichen, die bei isolierter Betrachtung als Verstoß gegen die MAVO gewertet werden könnten. Nicht selten ändert sich das Arbeitsvolumen im Verlauf einer Kurzarbeitsperiode (es werden z.B. Klienten aufgenommen oder entlassen). Auch in diesen Fällen sind vorläufige Maßnahmen angezeigt, bis die Änderungen schriftlich fixiert werden können.
Vorläufige Maßnahmen scheiden aus, wenn die verzögerte Entscheidung durch lückenhafte Information verursacht ist.

Die Arbeitsgruppe ist davon ausgegangen, daß - der arbeitsamtlichen Praxis entsprechend - die Einführung von Kurzarbeit ein Vorgang ist, der sich häufig über mehrere Wochen erstreckt. Da die MAVO - Partner unerfahren sind und daher der Beratung bedürfen, wird der Text einer Kurzarbeitsregelung sich allmählich konkretisieren. Es wäre dem mit der Kurzarbeit verfolgten Zweck abträglich, wenn sich die Partner auf die Fristen der MAVO beriefen, der Dienstgeber bei einzelnen geplanten Maßnahmen beispielsweise darauf, sie hätten als genehmigt zu gelten, wenn die MAV nicht binnen einer Woche widerspreche. Kurzarbeit ist schließlich ein Bündel von Einzelmaßnahmen, die erst in ihrer Zusammenfassung den erstrebten Erfolg herbeiführen. Ebenso formalistisch wäre es, die Forderung, die MAV habe sich nach Abschluß der Verhandlungen unverzüglich zu entscheiden, als unzulässige Verkürzung der MAVO - Fristen anzusehen. Bei freiwilligen Dienstvereinbarungen, die durch Schlichtungsspruch weder erzwungen noch ersetzt werden können, ist die Anwendung der Fristen der MAVO wenig hilfreich. Beide Partner können sich jederzeit ohne Begründung und ohne Einhaltung von Fristen zurückziehen. Haben sie sich jedoch zu einer Abmachung durchgerungen, dann kann man erwarten, daß die formale Schlußentscheidung zügig gefällt wird.


Härtefallklausel zur Vergütung für das Jahr 1999

Gleichzeitig mit der Übernahme des Tarifabschlusses im Öffentlichen Dienst hat die Arbeitsrechtliche Kommission eine weitere Öffnungsklausel beschlossen. Die Klausel ermöglicht es existenzgefährdeten Einrichtungen, per Dienstvereinbarung bis zum 1. April 2000 die in der Tarifrunde 1999 beschlossenen Tariferhöhungen zu Lasten der Mitarbeiter zu verschieben. Vorgesehen ist, daß Mitarbeitervertretung und Dienstgeber in der Dienstvereinbarung selbst festlegen, ob die Vergütungserhöhungen voll oder nur teilweise ausgesetzt werden. Sie sind auch befugt, den Zeitraum des Einfrierens der Vergütungen zu verkürzen. Der Dienstgeber kann die Vergütungen auch vor dem 1.4.2000 anheben. Er dürfte dazu verpflichtet sein, wenn sich herausstellt, daß ihm keine Verluste mehr drohen. Er hat die AK über die getroffenen Maßnahmen zu informieren.

Eindeutige rechtliche Voraussetzungen

Die AK hat für die zeitweilige Absenkung des Tarifstandards hohe rechtliche Hürden errichtet. Die zu erfüllenden Voraussetzungen spiegeln nachvollziehbar die wirtschaftliche Krisensituation einer Einrichtung wider. Wenn Zahlungsunfähigkeit ( = Insolvenz), Überschuldung oder Schließung drohen, kann der Ruf einer Einrichtung beschädigt werden. Denn diese Fakten dokumentieren, daß der Dienstgeber mit dem Versuch, seine Vermögensverhältnisse autonom zu steuern, d. h. ohne Einsetzung eines staatlichen Zwangsverwalters, zu scheitern droht. Dienstgeber und Mitarbeitervertretung werden sorgfältig abzuwägen haben, ob der wirtschaftliche Nutzen, der durch den Verzicht auf die Tarifsteigerung erzielt wird, durch den Imageschaden nicht wieder zunichte gemacht wird.
Die gewerbliche Wirtschaft benutzt bei tariflichen Lohnverzichten nicht selten ausfüllungsbedürftige Begriffe wie "Liquiditätsschwierigkeiten", "wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Lage" oder "Verbesserung von Sanierungschancen". Demgegenüber hat die AK Kriterien festgelegt, die im wesentlichen gesetzlich definiert sind. Dadurch sind die Auslegungsmöglichkeiten (Schlupflöcher) deutlich eingeschränkt. Die eindeutigen Begriffe sind an die Stelle der zunächst von den Dienstgebern vorgeschlagenen Formulierung "wenn das Ziel der Kostendeckung nicht erreicht wird" getreten.
Erschwert wird die Anwendung der Öffnungsklausel auch dadurch, daß die Tariferhöhungen mittels freiwilliger Dienstvereinbarung ausgesetzt werden. Die Freiwilligkeit erhöht die Einflußmöglichkeiten, selbstverständlich aber auch die Verantwortung der MAV.

Kirchengemeinden

Die Härtefallklausel kann in Einrichtungen, deren Träger eine Kirchengemeinde oder eine sonstige Körperschaft ist, nicht mit der Begründung angewandt werden, es lägen drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vor. Körperschaften sind nicht insolvenzfähig (sie können nicht pleite machen), folglich kann ihnen auch keine Insolvenz drohen. Sehr wohl können diese Einrichtungen mehr Geld ausgeben, als sie erwirtschaften oder ihnen vom Träger zugestanden wird. Dann droht ihnen Schließung oder Teilschließung, sofern der Träger nicht aus kirchenpolitischen Gründen gehalten ist, Geldmittel zur Verfügung zu stellen.

Kündigungen

Als Gegenleistung für die Inanspruchnahme der Härteklausel hat der Dienstgeber zwingend auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Die MAV kann weitere Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung (z. B. Freizeit statt Bezahlung bei Überstunden, Bereitschaftsdiensten, Feiertagsarbeit etc.) einfordern. Die Entscheidung darüber bleibt ihr überlassen. Die von Tarifverschiebung betroffenen Mitarbeiter haben das Recht, die notleidende Einrichtung mit Monatsfrist zu verlassen. Wir vertreten nachdrücklich die Auffassung, daß die Mitarbeiter/innen auf dieses Recht hingewiesen werden müssen.

Zahlungsunfähigkeit

Dienstvereinbarungen nach der Härtefallklausel können abgeschlossen werden, wenn Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung drohen. Bitte beachten Sie, daß das Wort "Drohung" einen zeitlichen Aspekt ("es geht nicht mehr lange gut") und eine inhaltliche Aussage ("die Grenze der Verschuldung ist erreicht") enthält, die erfüllt sein müssen. Die beiden Begriffe Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung sind jedem Wirtschaftsprüfer und Steuerberater geläufig. Sie sind der Insolvenzordnung (§§ 17 ff) entnommen und bezeichnen die Gründe, die zur Eröffnung des gesetzlichen Insolvenzverfahrens führen können. Die Härtefallklausel will der Eröffnung derartiger Verfahren vorbeugen. Die AK begreift die Klausel als tarifliches Warninstrument. Nicht selten gerät eine Einrichtung in Existenznot, weil die Vorzeichen einer Überschuldung nicht erkannt werden. Hierauf mit der Klausel hinzuweisen, ist insbesondere das Anliegen einiger Dienstgebervertreter gewesen.
Nach § 18 Involvenzordnung droht Zahlungsunfähigkeit, wenn eine Einrichtung voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen, salopp formuliert, wenn die Kassen am Zahltag nicht ausreichend gefüllt sind. Es ist also eine Prognose gefragt. Für die anzustellende Prognose wird durch das Wort "voraussichtlich" signalisiert, es müsse wahrscheinlicher sein, daß Zahlungsunfähigkeit eintritt, als daß Zahlungsunfähigkeit vermieden wird.

Liquiditätslücken

Eine einmalige Tariferhöhung von 3,1 % wird nur in Ausnahmefällen einen Insolvenzfall auslösen können. Zahlungsunfähigkeit im Sinne der alten Konkursordnung nahm die Rechtsprechung in der Vergangenheit an, wenn vorhandene Mittel und zu erfüllende Forderungen wesentlich auseinanderklafften. Dabei wurden Lücken von 10 bis 25 % genannt. Die Konkursordnung wurde von der Insolvenzordnung abgelöst, die am 1.1.1999 in Kraft getreten ist. Der Gesetzgeber hat sich in seiner Gesetzesbegründung ausdrücklich dagegen ausgesprochen, Zahlungsunfähigkeit davon abhängig zu machen, daß bestimmte Bruchteile der Schulden unerfüllbar werden. Daher hat er das Kriterium "wesentlich" nicht in den Gesetzestext aufgenommen; er hat lediglich darauf hingewiesen, daß ganz geringfügige Liquiditätslücken zu tolerieren seien.
Zahlungsunfähigkeit droht nach dieser Aussage bei längerfristigen Liquiditätsschwierigkeiten. Sind diese Schwierigkeiten jedoch vorübergehend, können sie vernachlässigt werden. Vorübergehend in diesem Sinne heißt, daß die drohende Insolvenz beispielsweise dadurch beseitigt wird, daß der Dienstgeber einen Kredit aufnimmt, Gehaltsforderungen gestundet werden oder andere Gläubiger zurücktreten.
Auch sog. vorübergehende Zahlungsstockungen haben außer Betracht zu bleiben. Zahlungsstockung liegt vor, wenn Außenstände verzögert eingehen oder unerwartete Verbindlichkeiten
anfallen.
In die Härtefallbetrachtung einzubeziehen sind die aus der Tariferhöhung resultierenden Beträge, die nicht durch erhöhte Einnahmen kompensiert werden. Wird durch deren Bezahlung die Schwelle zur Zahlungsunfähigkeit deutlich herabgesetzt, liegt ein Fall für eine Dienstvereinbarung vor. Es kann durchaus sein, daß eine Einrichtung schon in der Vergangenheit die Grenze der ganz geringfügigen Lücken erreicht hat und sie jetzt überschreitet.
Ist auch mit Verschiebung der Vergütungserhöhung zu erwarten, daß die Einrichtung ihren Zahlungsverpflichtungen demnächst nicht mehr nachkommen kann, ist sie insolvenzreif. In solchen Fällen muß dringend davor gewarnt werden, nach der Härtefallklausel zu verfahren, weil damit Bankrottstraftatbestände erfüllt sein können. Das gilt auch dann, wenn durch die Dienstvereinbarung das Überleben der Einrichtung kurzfristig hinausgeschoben wird.

Überschuldung
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Überschuldung droht, wenn (bei Zahlung der Tarifsteigerungen) das Vermögen einer Einrichtung die bestehenden Verbindlichkeiten voraussichtlich nicht mehr deckt. Überschuldung kann in der Regel nur von wirtschaftlich versierten Fachleuten festgestellt werden, denn die Feststellung beinhaltet eine Bewertung des Vermögens. Neben die rechnerische Gegenüberstellung des gesamten Vermögens und aller Verbindlichkeiten tritt eine Prognose für die weitere Entwicklung, für die (Über-)Lebensfähigkeit der Einrichtung. Ist die Fortführungsprognose positiv, fließt sie in die Bewertung des Vermögens ein. Es können also Chancen und Erwartungen (sog. Fortführungswerte) berücksichtigt werden. Im Gegensatz zur Insolvenz sind leere Kassen nicht erforderlich. In der Regel tritt Überschuldung zeitlich vor Zahlungsunfähigkeit ein, somit droht Überschuldung eher als Insolvenz.
Die Überschuldung wird durch eine Sonderbilanz festgestellt. Viele Einrichtungen sind heutzutage ohne große Schwierigkeiten in der Lage, die für eine Bilanz erforderlichen Daten über die EDV bereitzustellen. Der Dienstgeber wird den ihm obliegenden Nachweis der drohenden Überschuldung daher anhand einer Stichtagsbilanz führen, ergänzt um fachliche Erläuterung der Fortführungswerte.

Schließung, Teilschließung

Weitere Härtefallkriterien sind die drohende Schließung oder die drohende Teilschließung. Vergleichbare Begriffe verwendet § 15 Absatz (1) AVR, der die Kündigung "Unkündbarer" zuläßt, wenn die Einrichtung wesentlich eingeschränkt oder aufgelöst wird. Weitere Anhaltspunkte zum Begriff der Schließung finden sich in § 36 Absatz (1) Nr. 11 MAVO (Sozialplan bei Schließung und Einschränkung von Einrichtungen oder wesentlichen Teilen von ihnen). Ob (Teil-) Schließung droht, kann nur anhand des konkreten Einzelfalles entschieden werden. Nicht jeder drohende Wegfall von Arbeitsplätzen ist drohende Schließung.

Insbesondere Vertreter des Gesundheitswesens haben sich im Vorfeld der Beratungen der AK außerstande erklärt, die Tarifsteigerungen des Öffentlichen Dienstes auffangen zu können, ohne Stellen abzubauen, indem frei werdende Arbeitsplätze nicht wiederbesetzt würden. Eine derartige Handhabung ist nicht als Teilschließung anzusehen, zumindest dann nicht, wenn die in § 17 des Kündigungsschutzgesetzes fixierte Grenze der sog. Massenentlassung nicht erreicht ist (bei Betrieben bis 60 Arbeitnehmer mehr als 5, bei bis zu 500 Arbeitnehmern 10 Prozent oder mehr als 25 Beschäftigte, darüber hinaus mehr als 30 Beschäftigte).

Im allgemeinen wird von Teilschließung nur dann zu reden sein, wenn ein Tätigkeitsbereich wegfällt, der aufgrund seines Umfangs oder aufgrund seiner Bedeutung als wesentlich für die Einrichtung angesehen werden muß. Als Teilschließung wird auch die Stillegung eines Betriebsteils angesehen, in dem mindestens 5% der Arbeitnehmer beschäftigt sind. Werden eine Abteilung oder ein Betreuungsbereich geschlossen, wird häufig das Kriterium erfüllt sein.

Andrerseits reicht es nicht aus, daß der Dienstgeber (lediglich) mit Entlassungen für den Fall droht, daß die MAV keine Dienstvereinbarung abschließt. Der Dienstgeber ist zwar grundsätzlich frei in seiner Entscheidung, Stellen zu streichen oder einen Betriebsteil zu schließen. Er braucht eine solche Entscheidung nicht zu begründen. Anders bei Anwendung der Härteklausel: Hier muß begründet werden, daß durch Teilschließung bedrohte Arbeitsplätze gesichert werden. Daher wird der Dienstgeber konkret darzulegen haben, wie viele Arbeitnehmer er entlassen oder welchen Bereich er mit welchen Auswirkungen für die Betroffenen schließen würde, wenn er die Tariferhöhung zahlen müßte. Beiläufig sei darauf hingewiesen, daß die MAV diese Angaben auch benötigt, um sich gegenüber ihren Wählern rechtfertigen zu können.

Sonstige Gründe

Die Härtefallklausel benennt als Beispiele einer Existenzgefährdung die (drohende) Insolvenz, Überschuldung sowie (Teil-)Schließung. Die Aufzählung ist nicht abschließend, es kommen auch andere Sachverhalte in Frage, die den genannten Gründen gleichgewichtig sind. Als gleichgewichtig dem Insolvenzgrund "Überschuldung" könnte man Fälle der Unterbilanz ansehen, also Konstellationen, bei denen der Vorstand einer Aktiengesellschaft oder der Geschäftsführer einer GmbH tätig werden und die Hauptversammlung oder die Gesellschafterversammlung einzuberufen hätte. Auf Einzelheiten soll hier nicht eingegangen werden, weil es sich um seltene Fälle handeln wird.

Als den Schließungsgründen gleichgewichtig kann man vielleicht noch einen aus Kostengründen erforderlichen Personalabbau ansehen, der mindestens 5 % der in der Einrichtung Beschäftigten umfaßt. Ein Unterschreiten dieser Marge widerspräche den von der AK bewußt gezogenen Grenzen der MAVO und der AVR.

Weitere Voraussetzungen

Eine Dienstvereinbarung nach Abschnitt XVII der Anlage 1 kommt nur in Betracht, wenn weder Kurzarbeit oder Maßnahmen nach Abschnitt XVI die wirtschaftliche Notlage beseitigen können. Diese Fragen sind vorrangig zu prüfen und zu beantworten. Es wird empfohlen, das Ergebnis der Prüfung schriftlich festzuhalten.
Die Prüfung hat in einer vorgegebenen Reihenfolge stattzufinden:
Als erstes ist zu untersuchen, ob Kurzarbeit möglich ist. Deren Voraussetzungen sind oben erläutert.
Sodann sind die im Abschnitt XVI vorgesehenen Maßnahmen genauestens zu überprüfen. Möglicherweise reicht die Stundung von Gehaltsbestandteilen oder die Stundung der Gehaltserhöhung 99 bereits aus, die Schwierigkeiten zu beheben; dann darf nur die Stundung als milderer Eingriff gegenüber der Verschiebung der Tariferhöhung vereinbart werden.
Oder die Verschiebung reicht nicht aus; dann kommt nur in Frage, Arbeitszeit und Vergütung herabzusetzen, um die Arbeitsplätze zu sichern. Dabei müssen die übrigen Bedingungen des Abschnitts XVI eingehalten werden.

Einzelheiten zum Inhalt der Dienstvereinbarung

Die abzuschließende Dienstvereinbarung gilt nur für diejenigen, die Mitarbeiter/innen im Sinne der MAVO sind, sie erstreckt sich also nicht auf leitende Mitarbeiter und sonstige Personen, die nicht als Mitarbeiter im Sinne der MAVO gelten. Die AK konnte aus Rechtsgründen den Dienstgeber nicht verpflichten, auch den genannten Personenkreis von den Gehaltserhöhungen auszuschließen. Gleichwohl ist es für die Mitglieder der AK unvorstellbar, daß allein den Mitarbeiter/innen die Sanierungslasten aufgebürdet werden. Die AK geht davon aus, daß die leitenden Personen einzelvertraglich verpflichtet werden, mindestens in gleicher Weise ihren Sanierungsbeitrag zu leisten.

Andere Einrichtungen des Dienstgebers

Nach dem Text der Härtefallklausel erstreckt sich die Dienstvereinbarung auf die Mitarbeiter einer Einrichtung im Sinne der MAVO. Was zu einer Einrichtung zu zählen ist, kann nach § 1a Absatz (2) MAVO der Dienstgeber festlegen. Er wird dies im allgemeinen getan haben, indem er die Wahlberechtigten für die MAV - Wahl benannt hat. Unterhält der Dienstgeber mehrere Einrichtungen, ergibt sich daraus die auf den ersten Blick befremdliche Folge, daß bereits dann eine Härtefallregelung getroffen werden kann, wenn nur eine Einrichtung notleidend ist. Man könnte diese Ermächtigung durch die AK mit dem Argument kritisieren, andere, wirtschaftlich gesunde Einrichtungen und erst recht ein wirtschaftlich gesunder Dienstgeber hätten die notleidende Einrichtung finanziell zu stützen, bevor dort von Gehaltsanhebungen abgesehen werde. Dieser Einwand kann zutreffen. Die AK wollte aber in dieser Frage keine Vorwegentscheidung treffen, sondern die Antwort den vor Ort Beteiligten überlassen. Hierdurch ist die einzelne MAV nicht gehindert, eine Dienstvereinbarung mit dem Argument zu verweigern, der Dienstgeber möge bitte die betroffene Einrichtung finanziell besser ausstatten. Es kann andrerseits durchaus sachgerecht sein, gesunde Bereiche nicht zu Sanierungsleistungen heranzuziehen, um sie nicht gleichfalls zu gefährden. Der staatliche Gesetzgeber scheint derselben Auffassung zu sein, denn er läßt Kurzarbeit für einzelne Betriebsabteilungen zu, ohne zu verlangen, daß andere Betriebsabteilungen Hilfestellung leisten. Nur die dort Beschäftigten erhalten verkürzte Bezüge, sie tragen die Sanierungslasten allein. (Hätte die AK tariflich eine Gesamtsolidarität verordnet, wäre Kurzarbeit kaum möglich und begründbar.)

Alle oder nur die Verlustbringer?

Die Entscheidung des staatlichen Gesetzgebers, Kurzarbeit in einzelnen Abteilungen zuzulassen, bedeutet nicht , daß die Gehaltsabsenkungsmaßnahmen auf diejenigen zu beschränken sind, die "Verluste produzieren", deren Bereich geschlossen zu werden droht. Der Text der Härtefallklausel trifft keine eindeutige Aussage, denn er legt den Kreis der Betroffenen nicht zwingend fest. Wir empfehlen eine gesamtsolidarische Lösung, nämlich, alle Mitarbeiter einer Einrichtung einzubeziehen. Eine solche Lösung entspricht dem Grundgedanken der Dienstgemeinschaft, Schwierigkeiten von allen gemeinsam bewältigen zu lassen, die betrieblich miteinander verbunden sind. Die grundsätzliche Einbeziehung aller ist auch einfacher zu handhaben. Würden nur einzelne Mitarbeitergruppen belastet, müßten wohl die Kriterien beachtet werden, die für betriebliche Änderungskündigungen gelten. Es müßte im Rahmen einer Sozialauswahl geklärt werden, welchen Mitarbeitern Einbußen am ehesten zugemutet werden können.

Ausnahmen

Ausgenommen werden sollen aber diejenigen, für die die ausbleibende Gehaltsanhebung eine besondere Härte bedeuten würde. In der Zusatzversorgung sind nach wie vor die Einkünfte der letzten drei Jahre maßgebend für die Höhe der Versorgungsrente. Eine unterbliebene Anhebung von 3,1 % wirkt sich dort nicht auf einen begrenzten Zeitraum von 15 Monaten, sondern auf Jahre aus. Solche und ähnliche besondere Härten sollten berücksichtigt werden. Im Text findet sich das Adjektiv "besonders" zwar nicht. Es muß nach dem Gesamtzusammenhang jedoch in den Text hineingelesen werden. (Schon die Gehaltsverschiebung ist eine Härte - siehe Überschrift zu Abschnitt XVII - . Gehen die Einbußen im Einzelfall über das genau festgelegte Volumen hinaus, kann nur eine besondere Härte vorliegen. Die AK war bei der Formulierung ein wenig nachlässig, hat ihren Willen für Experten aber deutlich genug ausgedrückt.)


Weitere Informationen zu den Beschluß-Themen

Altersteilzeit, Diplom-Medizinpädagogen, Weihnachtsgeld, Neues aus Bonn sowie für einen "Zwischenruf" des ehemaligen Caritas-Direktors Berghaus


Altersteilzeit nach Anlage 17 AVR

Bereits zum zweiten Mal wurden mit den AK-Beschlüssen aus Juli 1999 einzelne Bestimmungen der Altersteilzeit nachgebessert. Die enge Anlehnung der Anlage 17 an den Altersteilzeittarifvertrag des Öffentlichen Dienstes erweist sich im Interesse der Rechtssicherheit als hilfreich, weil die Vorschriften, mit denen dort festgestellte Mängel abgeändert werden, zeitnah in die Anlage 17 übernommen werden können. Grund für die aktuellen Änderungen sind die im Verlauf der letzten Monate deutlich gewordenen Rechtsauffassungen der zuständigen Sozialversicherungsträger. Sie berechnen die Aufstockungsleistungen anders als die öffentlichen Tarifpartner. Außerdem hat sich herausgestellt, daß Altersteilzeiter bei längerfristigen Erkrankungen benachteiligt sind. Es muß auch in Zukunft mit weiteren Ergänzungen der Altersteilzeitbestimmungen gerechnet werden, weil etliche weitergehende Vorstellungen der Tarifvertragsparteien (noch) nicht umgesetzt wurden, aber nach beiderseitigem Bekunden auf der Tagesordnung bleiben.

Aufstockungsleistungen

Die Altersteilzeitregelung gibt dem Dienstgeber auf,

  • die für die Teilzeitbeschäftigung zustehenden Bezüge so weit aufzustocken, daß 83 % des bei regelmäßiger Vollarbeitszeit zustehenden Nettobetrages erreicht werden, und
  • zusätzliche Rentenversicherungsbeiträge zu entrichten, die 90 % des Vollzeitarbeitsentgelts entsprechen.

Die Sozialversicherungsträger haben im Gegensatz zu den Tarifvertragsparteien die Auffassung vertreten, der Berechnung der Altersteilzeitleistungen sei nicht nur das tarifliche Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, sondern es sei auch der sozialversicherungspflichtige Anteil einzurechnen, den der Dienstgeber für die zusätzliche Altersversorgung aufzuwenden habe. Dieser Auffassung haben sich die Arbeitgeber des Öffentlichen Dienstes und ihnen folgend die AK vorläufig - bis zu einer endgültigen Klärung der Rechtsfrage - angeschlossen und entsprechende Änderungen der Berechnungsgrundlagen vorgenommen. Damit ist sichergestellt, daß einerseits die Beschäftigten die Rente nach Altersteilzeit erhalten können, und andrerseits die Dienstgeber die Erstattungsleistungen der Arbeitsverwaltung bei Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes beantragen können.

Zweifellos ist die Anlage 17 damit noch komplizierter geworden, weil sich die Berechnung der Rentenversicherungsbeiträge nach den um die Umlagen zur ZVK erhöhten Bruttobeträgen richtet, während die Arbeitsentgeltaufstockung auf den niedrigeren Bruttobezügen basiert. Die Rechenzentren werden es hoffentlich richten!

Längerfristige Erkrankung

§ 8 der Anlage 17 legt, jedenfalls nach seinem um den Gesetzestext ergänzten Wortlaut, fest, der Anspruch auf Aufstockungsleistungen gegenüber dem Dienstgeber bestehe nicht, sofern - nach Auslaufen der sechswöchigen Gehaltsfortzahlung - Krankengeld bezogen wird. Diese Formulierung war Ausgangspunkt unterschiedlicher Rechtsauffassungen und Lösungsmöglichkeiten, auf die in der Kommentierung der Caritas - Korrespondenz Heft 4/99 Seite 56 ff hingewiesen wird. Durch die nun vorgenommene Änderung des § 8 wird die (vermeintliche?) Regelungslücke geschlossen. Jetzt wird unmißverständlich klargestellt, daß der Dienstgeber (gegen Abtretung der dem Dienstnehmer gegen die Arbeitsverwaltung zustehenden Ansprüche) bis zum Ablauf der 26. Krankheitswoche Aufstockungsleistungen zu erbringen hat. Berechnungsgrundlage ist der kalendertägliche Durchschnitt der in den letzten drei Monaten gezahlten Aufstockungsbeträge mit Ausnahme des Weihnachts- und des Urlaubsgeldes. Freilich entrichtet der Dienstgeber in dieser Zeit keine zusätzlichen Beiträge zur Rentenversicherung.

Erkrankungen von mehr als 6 Wochen führen im Blockmodell zu einer Verlängerung der Arbeitsphase und zu einer Verkürzung der Freistellungsphase. Einer besonderen Vereinbarung hierüber bedarf es zwar nicht, gleichwohl sollten der Dienstgeber oder die Mitarbeitervertretung die Beschäftigten hierauf besonders hinweisen. Es ist wohl kaum damit zu rechnen, daß die komplizierte Regelung von jedem Altersteilzeiter verinnerlicht und in ihren Auswirkungen erkannt wird.

Dauert die Krankheit länger als ein halbes Jahr, sinken die Einkünfte auf das aus der Teilzeitbeschäftigung zustehende Krankengeld ab. Spätestens jetzt sollte sich der Altersteilzeiter überlegen, ob das Altersteilzeitdienstverhältnis noch einen Sinn macht, ob es aufgehoben, durch einen vorzeitigen Rentenantrag ergänzt oder angepaßt werden sollte.
Die Frage ist nicht nur wegen der drastischen Einkommensreduzierung zu stellen. Sie ergibt sich auch daraus, daß mit Ablauf der Gehaltsfortzahlung (im Blockmodell) keine Zeiten mehr angesammelt werden, die anschließend während der Freistellung abgefeiert werden können. Außerdem kann es sein, daß die rentenrechtlich erforderlichen Zeiten für die Altersrente nach Altersteilzeit (mindestens 24 Monate Altersteilzeit mit Aufstockung und zusätzlichen Rentenversicherungsbeiträgen durch den Dienstgeber) nach der vorgesehenen individuellen Planung unerreichbar werden. Aus diesen Gründen verpflichtet § 8 Absatz (4) die beiden Partner, Verhandlungen aufzunehmen. Auf diese Weise sollen die Vertragsparteien zu einer einvernehmlichen Lösung gelangen, die den Interessen des Altersteilzeiters, aber auch den Dienstgeberbelangen gerecht wird. Die Formulierung läßt erkennen, daß die Tarifvertragsparteien in erster Linie daran gedacht haben, sozialrechtliche Nachteile der Beschäftigten zu vermeiden.
Eine einvernehmliche Verhandlungslösung sollte über den Wortlaut des Absatzes 4 hinaus aber auch dann möglich sein, wenn der oben beschriebene Automatismus eintritt, daß sich die Arbeitsphase verlängert und die Freistellungsphase verkürzt. Altersteilzeit ist schließlich nicht nur ein Instrument zur Regelung finanzieller Angelegenheiten, sondern dient in vielen Fällen nachhaltig der individuellen Lebensplanung und -gestaltung.

Altersteilzeit bei Frauen

Noch nicht beschlossen, sondern vertagt hat die AK einen Beschluß zur Altersteilzeit bei Frauen. § 9 Absatz (2) Unterabsatz a) der Anlage 17 sieht eine Beendigung des Altersteilzeitdienstverhältnisses für den Fall vor, daß eine ungekürzte Rente eines gesetzlichen Rentenversicherungsträgers in Anspruch genommen werden kann. In der Zusatzversorgung sind für weibliche Versicherte auch bei ungekürzter gesetzlicher Rente Abschläge vorgesehen. Die Versorgungsrente ruht bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres, es sei denn, die Mitarbeiterinnen sind berufs- oder erwerbsunfähig oder schwerbehindert. Statt der Versorgungsrente wird die Mindestversorgungsrente (Versichertenrente) gezahlt. Frauen, die diese Konsequenz (Rentenauskunft!!) vermeiden möchten, waren damit in der Vergangenheit faktisch von der Altersteilzeit ausgeschlossen.

Durch die Erweiterung des § 9 Absatz (2) der Anlage 17 soll diesem Umstand Rechnung getragen und festgelegt werden, daß das Dienstverhältnis erst zu dem Zeitpunkt endet, zu dem die Zusatzversorgungsrente nicht mehr ruht, also gezahlt wird. Soweit Dienstverhältnisse von Frauen bereits vor dem 1.4.1999 beendet worden sind, bleibt es dabei.
Besteht überhaupt kein Anspruch auf Versorgungsrente, wie bei den Mitarbeiterinnen der Ostbistümer, kann auch kein Ruhen der Versorgungsrente eintreten. In derartigen Fällen geht die Ergänzung ins Leere und es bleibt bei der gesetzlichen Vorschrift.
Die Ergänzung des § 9 führt natürlich nicht dazu, daß Frauen nun tariflich dazu gezwungen werden sollen, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres zu arbeiten bzw. Altersteilzeit zu leisten. Wer die geminderte Zusatzrente in Kauf nehmen und vorher ausscheiden möchte, kann dies selbstverständlich tun.
Die AK hat über die Ergänzung des § 9 noch keine Entscheidung getroffen, denn sie war sich nicht klar darüber, ob Frauen, die bereits eine Altersteilzeitvereinberung getroffen haben, einen Anspruch auf Nachbesserung haben. Ein solcher Anspruch ist nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, er hängt jedoch von den Motiven der Betroffenen ab. Es ist durchaus vorstellbar, daß eine Frau gern bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres in Altersteilzeit gearbeitet hätte, aufgrund der Gesetzeslage aber innerlich unzufrieden einem vorzeitigen Abschied zwischen dem 60. und dem 63. Lebensjahr zugestimmt hat. Sie wird sich benachteiligt fühlen, wenn man ihr verwehrt, ihre ursprüngliche Absicht zu verwirklichen.
Die Entscheidung der AK wird abzuwarten sein. Gleichwohl ist niemand gehindert, schon jetzt der vertagten Entscheidung nachzukommen.


Weihnachtsgeld

Die Beendigung eines Altersteilzeitdienstverhältnisses ist den Beendigungsgründen eines Dienstverhältnisses nach Abschnitt XIV der Anlage 1 gleichgestellt worden, die zum Bezug einer anteiligen Weihnachtszuwendung berechtigen. Damit ist, um Mißverständnisse zu vermeiden, klargestellt, daß auch ausscheidende Altersteilzeiter Weihnachtsgeld erhalten.

Eine weitere Änderung beim Weihnachtsgeld betrifft diejenigen, die während des Erziehungsurlaubs eine sog. erziehungsgeldunschädliche Tätigkeit, also eine Tätigkeit bis zu 19 Wochenstunden, bei Ihrem Dienstgeber ausüben.

  • Ist deren Kind am 1. September noch kein Jahr alt, wird das Weihnachtsgeld nach den Bezügen berechnet, die vor dem Beginn des Erziehungsurlaubs zustanden,
  • wird während eines laufenden Erziehungsurlaubs ein weiteres Kind geboren, besteht kein Anspruch auf Weihnachtsgeld.

Bei "Bis-zu-19-Stunden-Jobs" bemißt sich das Weihnachtsgeld nach den Bezügen für diese Tätigkeit.

Leider ist mit der Änderung des Abschnitts XIV der Anlage 1 auch die ehedem von der AK eingeräumte Möglichkeit verschlossen, bei einer erneuten Geburt während einer Beurlaubung nach Anlage 14 (also außerhalb des Erziehungsurlaubs) den Weihnachtsgeldanspruch zu realisieren. Der Grund liegt darin, daß weder während einer Beurlaubung noch während des Erziehungsurlaubs ein Anspruch auf Zuschuß zum Mutterschaftsgeld besteht. Das aber ist nach der Neuformulierung des Absatzes (d) Anspruchsvoraussetzung für das "Erziehungsurlaubsweihnachtsgeld".


Eingruppierung von Diplom-Medizin-Pädagogen/innen

Die Diplom-Medizin-Pädagogen sind in den Arbeitsvertragsrichtlinien in Anmerkung 29 der Anlage 2a erwähnt. Die Anmerkung gilt für die Fallgruppen 10,11 der Vergütungsgruppe Kr 8, die Fallgruppen 9,10 der Vergütungsgruppe Kr 9, die Fallgruppen 7 und 7a der Vergütungsgruppe Kr 10 und für Fallgruppe 6 der Vergütungsgruppe Kr 11. Die Anmerkung sieht vor, den als (Leitenden) Unterrichtsschwestern/-pflegern tätigen Diplom-Medizin-Pädagogen wegen ihrer abgeschlossenen wissenschaftlichen Hochschulbildung eine um eine Vergütungsgruppe höhere Grundvergütung als ihren Kollegen/innen zu zahlen.

Durch die Änderung der Anmerkung 29 soll klargestellt werden, daß die Eingruppierung der Diplom-Medizin-Pädagogen in Vergütungsgruppen Kr 8 bis Kr 11 nur für die Fälle gilt, in denen sie tatsächlich die Fächer von Unterrichtsschwestern unterrichten. Unterrichten sie zeitlich überwiegend Fächer, die sonst von Vollakademikern (Ärzten, Apothekern) unterrichtet werden, sind sie nach Vergütungsgruppen 2 Fallgruppe 12 oder 1b Fallgruppe 12 (Mitarbeiter mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit) eingruppiert.

 


Neues aus Bonn


Abfindungen - steuerliche Freibeträge

Die durch das Steuerentlastungsgesetz der Bundesregierung festgelegten Steuerfreibeträge bei einer vom Dienstgeber veranlaßten oder gerichtlich ausgesprochenen Auflösung des Dienstverhältnisses sind nochmals geändert worden. Mit Wirkung ab 1. Januar 1999 gelten folgende Sätze:

  • 16.000,-- Mark sind in jedem Falle steuerfrei,
  • ist der Arbeitnehmer mindestens 50 Jahre alt und seit mindestens 15 Jahren im Betrieb, erhöht sich der Freibetrag auf 20.000,-- Mark,
  • für über 55-jährige mit 20-jähriger Betriebszugehörigkeit auf 24.000,-- Mark.

Über die genannten Summen hinausgehende Beträge sind steuerpflichtiger Arbeitslohn.

Abfindungen werden nicht mehr auf das Arbeitslosengeld angerechnet.. (siehe AK-Magazin Nr. 11). Allerdings ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld, sofern die Kündigungsfristen mißachtet wurden. Er ruht so lange, als wären die Fristen eingehalten worden. Für unkündbare Mitarbeiter/innen im Sinne des § 14 Absatz (5) AVR gilt dabei eine fiktive Kündigungsfrist von 18 Monaten. Einzelheiten und ergänzende Bestimmungen sollten beim Arbeitsamt erfragt werden.


Jubilare werden von Steuerfreiheit "entlastet"

Gleichfalls rückwirkend zum 1. Januar 1999 ist die Steuerfreiheit von Jubiläumszuwendungen durch das Steuerentlastungsgesetz aufgehoben worden. Entsprechend den Grundsätzen der Arbeitsentgeltverordnung führt die Steuerpflicht der Jubiläumsgelder auch zu deren Sozialversicherungspflicht.
Gleiches gilt, wenn Feiertagsarbeit nicht durch Freizeit, sondern durch Bezahlung ausgeglichen wird: Es bleibt netto wenig übrig!

 

Vielen Dank für Ihr Interesse!

Mit dieser Nr. 12 des AK-Magazins beendet die Sprechergruppe ein Experiment, das sie vor vier Jahren begonnen hat: Hintergrundinformationen zu Entwicklungen und Beschlüssen der Arbeitsrechtlichen Kommission für interessierte Leser zu liefern.

Über eine Fortführung des Experiments entscheidet die neugewählte Dienstnehmerfraktion auf ihrer Klausurtagung im Januar 2000 in Freiburg.

Und natürlich interessiert uns auch Ihre Meinung!

Schreiben Sie uns per e-mail an
wbf.DiAG_B@t-online.de
Betreff: AK-Magazin

Danke!