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AK-Magazin Nr. 17 - April 2001


In dieser Nummer:

  • Leitartikel:
    Das AVR-Wunder - Oder: Der Dritte Weg braucht ein Tarifvertragsgesetz. 
    Die Problematik der Unverbindlichkeit der AVR.
  • Im AVR-Kommentar: Langzeitkonten - die neue Anlage 5c zu den AVR 
  • Das TzBfG und die Kirchen -
    - Verfassungsbruch? 
  • "Heimeltern"-Öffnungsklausel 
     
     

Der Dritte Weg braucht ein Tarifvertragsgesetz:

Das AVR-Wunder

Der Deutsche Caritasverband wendet eine ganze Menge Manpower und Money auf, um mit seiner Arbeitsrechtlichen Kommission (AK) die "Richtlinien für Arbeitsverträge" (AVR) zu entwickeln, zu pflegen und auf dem neuesten Stand zu halten. Die katholische Kirche schaut diesem Treiben sehr interessiert zu, schickt gar eine hochkarätige Abordnung, die "Arbeitsgemeinschaft der Bistümer" (AG) in die AK, um aufpassen zu lassen, dass dort nur ja kein Unsinn beschlossen wird. Und zu guter Letzt setzt auch noch jeder der 27 (Erz-)Bischöfe jeden auch noch so unbedeutenden AK-Beschluss per Promulgation in ein Kirchengesetz um. Eigentlich ein wasserdichtes Verfahren, sollte man meinen, zumindest bis zur Veröffentlichung im jeweiligen diözesanen Gesetzblatt. Nun bestimmt Artikel 7 der "Grundordnung" (GrO): "Rechtsnormen für den Inhalt der Arbeitsverträge kommen zustande durch Beschlüsse von Komissionen...". Doch da fangen die Probleme schon an. Denn ohne Vertragspartner sind die AVR nicht einmal das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind. Zu ihrer Wirksamkeit bedürfen sie einer einzelvertraglichen Inbezugnahmevereinbarung, wie uns namhafte Juristen glaubhaft versichern. Doch für diese Willenserklärung reichten die Unterschriften zweier Vertragspartner, dazu bedürfte es keines Bischofswortes. Solange die Vertragspartner sich nämlich einig sind, die AVR in Gänze zu übernehmen, ist alles im grünen Bereich.  Doch bedeutet Artikel 7 der GrO auch, dass einzelvertragliche Abweichungen von den Bestimmungen der AVR zu ungunsten der MitarbeiterInnen nicht zulässig sind? Man sollte es meinen, vor allem wenn man bedenkt, mit welcher Sorgfalt und Akribie die AK mögliche AVR-Abweichungen in Form von Öffnungsklauseln einzeln beschließt.  Doch die Praxis der Anwender zeigt etwas anderes: Immer mehr Dienstgeber zweifeln an der gesammelten Weisheit der AVR, halten sie für zu kompliziert, für zu teuer, für zu aufwendig. Und sie sinnen auf Lösungen, die die AVR einfacher, handhabbarer und vor allem billiger zu machen. 

Warum nicht einzelvertraglich bestimmte Teile der AVR abbedingen, sie also gar nicht erst vereinbaren? Die Zusatzversorgung zum Beispiel, die nur gutes Geld kostet und einer ungewissen Zukunft entgegensiecht - warum nicht 'raus damit? Oder den ganzen Sozialklimbim mit der familienbezogenen Ortszuschlagsregelung - weg damit. Oder der leistungshemmende Bewährungsaufstieg - weg damit. Oder die unnötige Unkündbarkeit, oder, oder, oder... 

Fängt man als kostenbewusster Dienstgeber erst einmal an, die AVR unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten, erweisen sie sich geradezu als Fundgrube für Sparmaßnahmen. Also warum nicht hier Managerqualitäten zeigen und im Alleingang zusammen mit "einsichtigen" Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern endlich die "AVR light" einzelvertraglich praktizieren, die man sich schon immer gewünscht hat? Die Marktorientierung erzwingt doch geradezu solch kreativen Umgang mit den AVR. Schließlich ist das nichts anderes als das von Dienstgeberseite schon lange favorisierte "Baukastenmodell" der AVR: Man nehme, was einem in den Haushalt passt. "Individualrechliche Gestaltungsmöglichkeiten" nennt man das im Dienstgeberjargon - und kein Bischofswort hemmt dieses Trachten. Dass das auch funktioniert, beweisen tagtäglich die beliebten Ausgründungen oder eigenständige gGmbH's, mit deren Hilfe man die Dienstgemeinschaft von unerwünschten Kostgängern entlastet und die Betroffenen auf AVR-Schmalkost setzt. (Ganz Tollkühne setzen dann noch einen drauf und stellen bei der AK einen Antrag auf ein "Modellprojekt" des Inhalts, einen ganzen "outgesourcten" Laden samt abgespeckten AVR-Bedingungen (oder gleich Gebäudereinigertarifen) wieder in die AVR integrieren zu wollen. Dreist. Aber das gibt's. Was lernen wir daraus?  Die AVR werden derzeit flexibler gehandhabt als sich mancher das träumen läßt. Nur aus den Diözesen Freiburg und Köln hört man, dass dort gegen AVR-Abweichler ganz grimmig eingeschritten und mit dem Verlust der Kirchlichkeit gedroht wird. In fast allen anderen Diözesen mutet der ganze Aufwand, den man im Rahmen des Dritten Weges treibt, um aus den AVR ein vom Bischof abgesegnetes Kirchengesetz zu machen, wie ein zentralafrikanischer Regenzauber an: ein Riesenritual mit ungewissem Erfolg. 

Der fehlende Erfolg kann nicht verwundern, solange selbst die Dienstgeberseite der AK für sich in Anspruch nimmt, nach Belieben von den AVR abweichen zu können. Zur Begründung beruft sie sich darauf, die AVR seien nur eine sog. "Einheitsregelung", die nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen nicht zwingend anzuwenden sei. 

Solange der "Dritte Weg" keine eindeutige, den §§ 3 und 4 des Taifvertragsgesetzes entsprechende Verbindlichkeit produziert, bleiben die AVR ein leeres Versprechen, das nur mit wohlwollenden Dienstgebern eingelöst werden kann. Wenn man sich schon Gedanken um eine Verbesserung des Dritten Weges macht, dann sollte man sich weniger um solche Lapalien wie "Zwangsschlichtung", "beschließende Ausschüsse" oder "Quoren" kümmern, sondern um die verbindliche Rechtsqualität der AVR! Denn da liegt der Hund begraben! Der Dritte Weg braucht ein Ausführungsgesetz zu Artikel 7 der GrO, das für den gesamten Kirchen- wie Caritasbereich die Unabdingbarkeit der jeweiligen KODA-Regelungen festlegt.  Sonst sind demnächst "echte" AVR-Verträge wirklich ein Wunder.

wbf


Der AVR-Kommentar:

Ein neues Arbeitszeitmodell

"Langzeitkonto"

Die Anlage 5c zu den AVR
von Wolfgang Bartels

Die Arbeitsrechtliche Kommission hat ihre Modellpalette erweitert. Neben verschiedenen Standardmodellen der Mittelklasse (Gleitzeit durch Verlängerung des Berechnungszeitraumes etc.), der Seniorenklasse (Anlage 17 -Altersteilzeit) und der Kompaktklasse für jüngere Menschen (Anlage 5b -Mobilzeit) ist in dem heftig umkämpften Marktsegment der Luxusklasse eine neue und modern gestylte Variante, das Langzeitkonto eingeführt worden. 

Ziel der neuen Regelung

Mit dieser neuen Arbeitszeitvariante will die AK Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit geben, außerhalb von Urlaubs-, Freistellungszeiten und Sonderurlaub (unbezahlt!) besondere Freizeiteinheiten anzusparen und für die verschiedensten persönlichen Zwecke (von der Weltreise über den zeitweiligen Ausstieg, Zeit für Pflege eines Angehörigen, für die Familie, die Fortbildung oder einfach nur für den vorzeitigen Ruhestand) anzusparen.

Der Vorteil: Die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter sind während der Inanspruchnahme des Freizeitausgleichs sozialversichert und erhalten die (normalen) Bezüge weiter. Sie buchen -wie von einem Sparkonto- das vorher angesparte Arbeitszeitguthaben ab, bis der Kontostand auf Null ist. 

Nutzen für Dienstgeber

Für die Einrichtungen ergibt sich aus dieser Regelung die Möglichkeit, Mitarbeiter/innen während der Ansparphase(n) flexibler, also entsprechend den betrieblichen Anforderungen, einzusetzen. Personalengpässe lassen sich so unter Umständen überbrücken. Der Dienstgeber bekommt, da er die Vergütung nicht sofort, sondern erst beim Abbuchen des Kontos auszahlen muss, einen zinslosen Kredit von seinen Mitarbeite/innen. 

Eine "Verzinsung" des Zeitguthabens ist nicht vorgesehen. Aber indirekt gleichen Mitarbeiter/innen hier vermeintliche Nachteile dadurch aus, dass der Wert ihrer eingebrachten Arbeitsleistung sich durch Aufstieg in höhere Dienstaltersstufen, Bewährungsaufstieg und allgemeine Vergütungserhöhungen indirekt doch erhöht. Denn ein späterer Zeitausgleich führt zur Freistellung unter Fortzahlung der dann aus den vorgenannten Gründen meistens gestiegenen Vergütung und damit doch zu einer Form von Verzinsung.
Ein weiterer Vorteil für die Einrichtung: Selbstverständlich erhöht jede Form einer Stärkung der Eigenverantwortlichkeit die Zufriedenheit der Mitarbeiter/innen mit ihrem Arbeitsplatz und -last but not least- der Dienstgeber kann mit dem Angebot eines attraktiven Arbeitszeitmodells am Arbeitsmarkt werben und damit motivierte Mitarbeiter/innen gewinnen.

Nicht ohne die MAV

Wenn in einer Einrichtung ein Langzeitkonto nach der Anlage 5 c eingerichtet werden soll, geht das nicht ohne die Mitarbeitervertretung. Das hat rechtliche, aber auch ganz praktische Gründe. Denn die die Mitarbeitervertretung kann in der Regel beurteilen, ob die Einrichtung diese Veränderung "vertragen kann." Wenn Mitarbeiter/innen "Zeitguthaben ansparen und auf das Zeit-Sparkonto buchen", hat das für die Einrichtung nicht nur den oben beschriebenen Effekt der Stundung von Vergütungen. Im Hinblick auf die Personalplanung der Einrichtung ergeben sich noch weitere Konsequenzen: 

Mitarbeiter/innen, die Mehr- oder Überstunden leisten und diese ihrem Konto gutschreiben lassen, verhindern dadurch (als Nebeneffekt) die normalerweise notwendigen Neueinstellungen. Wenn die Freistellung nicht sofort erfolgen müssen, werden auch keine Aushilfen oder neue Mitarbeiter/innen gebraucht. Darüber hinaus entziehen auch Mitarbeiter/innen, die sich die Einmalzahlungen (Urlaubsgeld und Weihnachtszuwendung) als Zeitguthaben auf ihr Konto buchen lassen, der Einrichtung im Ergebnis Arbeitskraft. Das gilt es im Auge zu behalten, wenn man persönliche Wünsche und Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze gegeneinander abwägt. Hier sind die Mitarbeitervertretungen gefordert. Sie müssen verhindern, dass durch die Einrichtung von Arbeitszeitkonten, durch Arbeitsverdichtung eine Überforderung der Mitarbeiter/innen eintritt. 

Durch eine Dienstvereinbarung, die vor der Einrichtung eines Arbeitszeitmodells zwingend erforderlich ist, hat die Mitarbeitervertretung daher insbesondere die Entscheidung zu treffen, ob 

  • die Einrichtung überhaupt Arbeitszeitkonten nach Anlage 5 c anbieten will, dieses Angebot für alle Dienstbereiche der Einrichtung gelten soll,
  • welche Laufzeit (Probe, Befristung) die Regelung haben soll, 
  • in welcher Form Zeitguthaben angesammelt werden können 
  • und wie mit einer Erkrankung der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters während der Anspar- und Freistellungsphase umgegangen wird.

Einrichtungen ohne Mitarbeitervertretung

Nur wenn in einer Einrichtung eine Mitarbeitervertretung nicht oder nicht mehr besteht, ist das Langzeitkonto auch unmittelbar zwischen dem interessierten Mitarbeiter/der Mitarbeiterin und dem Dienstgeber durch Nachtrag zum Arbeitsvertrag zu vereinbaren.

Details im Dienstvertrag

In allen Fällen liegt die Entscheidung über die näheren Einzelheiten des Langzeitkontos aber bei der Mitarbeiterin/dem Mitarbeiter, der auf der Grundlage einer entsprechenden Dienstvereinbarung und unter Beachtung der Regelungen in Anlage 5 c einen entsprechenden Nachtrag zu seinem Arbeitsvertrag vereinbart. 

In diesem Nachtrag soll im Regelfall auch festgelegt werden, wie der Auf- und Abbau des Kontos erfolgt. Selbstverständlich können diese Absprachen jederzeit von beiden Vertragsparteien einvernehmlich geändert werden. Wichtig für ein Gelingen der Regelung wird es sein, bei der Planung die Interessenlage der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters beim Abschluss der Vereinbarung und die zwingenden betrieblichen Interessen zu berücksichtigen und aufeinander abzustimmen. 

Die daraus resultierende Absprache kann relativ offen sein. Es können alle Möglichkeiten des Ansparens genutzt werden. Die Inanspruchnahme des Arbeitszeitguthabens ist mit einer Vorankündigung prinzipiell jederzeit möglich. Sie kann aber auch sehr detailliert auf die betriebliche oder persönliche Situation abgestimmt sein und genaue Angaben zu den Modalitäten des Auf- und Abbaus des Kontos machen. 

Dienstgeber hat nur ein (einmaliges) Vetorecht

Beim Aufbau von Guthaben müssen sich beide Seiten einig sein, entweder bei der Festlegung der Ansparmodalitäten oder hinsichtlich kurzfristig nötig werdenden Veränderungen. Beim Abbau des Guthabens hat die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter ein vorrangiges Gestaltungsrecht. Sie/er kann mit einem zeitlichen Vorlauf von höchstens 3 Monaten den gesparten Freizeitausgleich oder Teile davon in Anspruch nehmen, wobei das abgerufene Guthaben mindestens 4 Wochen betragen muss. Der Dienstgeber kann einen entsprechenden Antrag der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters (nur) einmal ablehnen. Dem Wiederholungsantrag zu einem anderen Zeitpunkt muss er stattgeben.

Der Dienstgeber kann von sich aus eine Abbuchung vom Freizeitkonto nicht einseitig anordnen. Er kann lediglich einen entsprechenden, betrieblich begründeten Vorschlag machen, den die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter "wohlwollend prüfen" muss. 

Beispiel für den Aufbau eines Langzeitkontos

Sehen wir uns einen Beispielsfall an:

Die Mitarbeiterin Vera Fleißig arbeitet in einer Einrichtung, in der die Mitarbeitervertretung eine Dienstvereinbarung nach Anlage 5 c abgeschlossen hat. In dieser Dienstvereinbarung ist zunächst befristet für 5 Jahre allen Mitarbeiter/innen die Möglichkeit eingeräumt, unter Absenkung ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit ein Guthaben auf einem Arbeitszeitkonto aufzubauen.

Frau Fleißig hat mit dem Dienstgeber geregelt, dass sie für die Dauer von 5 Jahren bei 38,5 Std. Vollbeschäftigung nur die Vergütung für 80% also nur für 30,8 Stunden erhält, aber in den ersten 4 Jahren voll weiterarbeitet. Sie "spart" dadurch auf ihrem Arbeitszeitkonto wöchentlich 7,7 Stunden an (=20% "künstlich erzeugte" Mehrarbeit) und kann dann im fünften Jahr bei Weiterzahlung von unverändert 80 % der Bezüge von der Arbeitsleistung ganz freigestellt werden. 

Um den Aufbau des Kontos zu beschleunigen, könnte Frau Fleißig -falls die Dienstvereinbarung das zulässt - natürlich auch 

  • "echte" Mehr- oder Überstunden, (in der Anlage sogenannte Plusstunden),
  • Vergütungen für Bereitschaftsdienste oder sonstige in Zeiteinheiten umrechenbare Vergütungsbestandteile, namentlich das Urlaubsgeld oder die Weihnachtszuwendung auf das Konto einbringen.

Erkrankung während der Anspar- und Ausgleichsphase

Eine in der Praxis wichtige Frage betrifft den Umgang mit Zeiten, in denen die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter arbeitsunfähig erkrankt.

Wenn Frau Fleißig während der Ansparphase, also in den ersten 4 Jahren der Laufzeit der Vereinbarung erkrankt, müsste man nach dem sogenannten Anrechungs- (oder Referenz-)prinzip in der Phase der Erkrankung die Gutschriften auf das Arbeitszeitkonto aussetzen. Denn Frau Fleißig leistet in dieser Zeit ja keine Mehrarbeit. Es erschiene also ungerecht, wenn sie während der Erkrankung ein Guthaben aufbauen könnte.

Den AVR liegt aber eigentlich das sogenannte Ausfallprinzip zugrunde. Dieses geht davon aus, dass prinzipiell wegen der Erkrankung einer Mitarbeiterin/eines Mitarbeiters kein Vergütungsnachteil eintreten darf, die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter also so zu behandeln ist, als ob sie/er tatsächlich gearbeitet hätte. Bei tatsächlicher Arbeit hätte Frau Fleißig aber wöchentlich 7,7 Mehrstunden angespart. Frau Fleißig stünde nach dem Ausfallprinzip bei einer Erkrankung in der Ansparphase besser da. Erkrankt die Mitarbeiterin in unserem Beispiel allerdings während der Ausgleichsphase, sieht die Sache anders aus. Nach dem Anrechnungsprinzip muss die Erkrankung berücksichtigt werden. Frau Fleißig würde also während der Zeit der Erkrankung ihr Zeitguthaben nicht abbauen. Sie würde sich beim Dienstgeber krankmelden und dürfte ihre Ausgleichszeit auf ihrem Konto belassen und/oder sie am Ende der 5 Jahre nachholen. Beim Ausfallprinzip ginge die Erkrankung in der Ausgleichsphase zu Lasten von Frau Fleißig. Denn wenn Krankheit sich grundsätzlich nicht auf die Bewertung der Arbeit auswirkt, ist sie auch für den Zeitausgleich nicht relevant. Frau Fleißig stünde bei einer Erkrankung in der Ausgleichsphase nach dem Referenzprinzip besser da. Man sieht also: Beide Prinzipien sind einerseits von Vorteil, andererseits von Nachteil für Dienstgeber bzw. die Mitarbeiterin.

Zu einer einseitigen Belastung würde es führen, wenn man in der Ansparphase das Referenzprinzip, in der Ausgleichsphase das Ausfallprinzip anwenden würde (Vorteil für Dienstgeber) oder umgekehrt (Vorteil für Mitarbeiter/innen). Die Anlage 5 c lässt die Wahl zwischen beiden Prinzipien zu. Die AK hat die Entscheidung der Einigung zwischen MAV und Dienstgeber in der Dienstvereinbarung überlassen. Wichtig ist: Es darf für Anspar- wie für Ausgleichsphase nur eines der beiden Prinzipien vereinbart werden, so dass sich Vor- und Nachteile grundsätzlich ausgleichen. Die Anwendung des Prinzips muss für alle Mitarbeiter/innen der Einrichtung einheitlich geregelt sein.

Ausfallprinzip nur in modifizierter Form

Wegen der besonderen Situation bei der Vereinbarung des Langzeitkontos erschien eine volle Anwendung des Ausfallprinzips allerdings nicht angemessen. Denn eigentlich ist bei einer längeren Erkrankung der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters die Geschäftsgrundlage für die Regelung entfallen. Sie stellt einen Störfall dar, dem im Grunde durch Aussetzung oder Neuregelung begegnet werden müsste. Also kam nur eine Modifizierung des Ausfallprinzips in Betracht: Nur die ersten 6 Wochen der Erkrankung bleiben für Auf- und Abbau des Langzeitkontos ohne Bedeutung. Geht die Erkrankung darüber hinaus, muss das Ansparen oder das Abbuchen ausgesetzt werden. Der Vorteil dieser Regelung ist, dass sie für Personalverwaltungen den geringsten Aufwand und für Mitarbeiter/innen die beste Transparenz liefert.

Nachweis und Insolvenzschutz

Zwei wichtige Gesichtspunkte, die für die Transparenz und Absicherung der Ansprüche der Mitarbeiter/innen wichtig sind, seien zum Schluß genannt.

Der Dienstgeber hat jährlich oder auf entsprechenden Antrag der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters einen schriftlichen Nachweis des Kontostandes zu erbringen. 

Um die Ansprüche der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters auch vor möglicher Insolvenz (früher: Konkurs) zu schützen, hat der Dienstgeber eine geeignete Absicherung zu veranlassen. Wie er das tut, ob durch eine Insolvenzversicherung, Bürgschaften oder durch Einrichtung von Kapitalfonds ist letztlich ihm überlassen. Er muss die Art der Absicherung aber mitteilen und nachweisen.

Die Anlage 5 c tritt am 1.4.01 in Kraft und ist bis zum 31.12.2005 befristet.

 


Verfassungsbruch?
Ist das TzBfG verfassungswidrig?

Seit 1. Januar 2001 gilt das neue Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG). Es hat das bisherige Beschäftigungsförderungsgesetz abgelöst. Darin war in _6 (1) geregelt, dass durch Tarifvertrag auch zuungunsten des Arbeitnehmers von den Gesetzesvorschriften abgewichen werden konnte. In §6 (3) stand lapidar, dass auch die Kirchen "in ihren Regelungen" von den Vorschriften abweichen konnten. Dies eröffnete den Tarifparteien im weltlichen Bereich und den Arbeitsrechtlichen Kommissionen und KODAen im kirchlichen Bereich Gestaltungsmöglichkeiten in der Art, dass Verschlechterungen gegenüber dem Gesetz mit Vergünstigungen in anderen Bereichen tarifvertraglich oder per kircheneigener Regelung (AK-Beschluss/KODA-Beschluss) kompensiert werden konnten. Tarifverträge und kircheneigene Regelungen waren hier gleichgestellt. Für Theoretiker des "Dritten Weges" galt dies als indirekte Anerkennung ihrer Behauptung, KODA-Beschlüsse seinen als "Tarifvertragssurrogat" zu werten. Das neue TzBfG sieht wiederum solche Verhandlungs- und Kompensationsmöglichkeiten vor, doch die entsprechende Öffnungsklausel in den §§ 12, 13 und 14 lassen Abweichungen ausdrücklich nur noch im Rahmen von Tarifverträgen, nicht mehr durch "Regelungen der Kirchen" zu. 

Dies könnte in Bereichen, in denen kirchliche mit weltlichen Einrichtungen konkurrieren - also vor allem im gesamten Bereich der Wohlfahrtspflege - zu einem Wettbewerbsnachteil für diese Einrichtungen werden (Arbeit auf Abruf könnte z.B. per Bundesangestelltentarifvertrag so geregelt werden, dass keine Mindestarbeitszeitgarantie gewährt wird, dafür jedoch ein entsprechender finanzieller Ausgleich bezahlt wird. Dies ginge bei strenger Auslegung für die kirchlichen Einrichtungen dann nicht. Was zunächst wie ein Versehen im Gesetzgebungsverfahren aussah, stellte sich bei näherer Betrachtung als Folge einer europaspezifischen Regelung heraus. Denn Öffnungsmöglichkeiten in Gesetzen auf nationalstaatlicher Ebene sieht Europa nur noch für die Sozialpartner, also die klassischen Tarifparteien vor. Auf Europaebene haben sich die Kirchen jedoch bislang nicht als Sozialpartner definiert (man ist schließlich etwas besseres). Das kircheneigene Arbeitsrecht Deutschlands ist Europa völlig fremd und gilt allenfalls als sozialgeschichtliche Absonderlichkeit. 

Die Bundesregierung und das Parlament haben sich zuungunsten der Kirchen an der Denkweise Europas orientiert. Haben sie dadurch gegen das grundgesetzlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen verstoßen? Enthalten sie damit den Kirchen etwas vor, was sie anderen gewähren? Für die Anhänger der "Tarifvertragssurrogatstheorie" würde das einen herben Dämpfer bedeuten.

Der Meinungsbildungsprozess, ob die katholische Kirche gegen die Engführung des Gesetzes Verfassungsbeschwerde einlegen soll, wird, wie man hört, nun von höchster Stelle vorangetrieben und gebündelt. 

PS. Die Arbeitsrechtlichen Kommissionen könnten allerdings auch einfach so tun als ob, und im vollen Bewußtsein ihrer Kompetenz entsprechende Abweichungen einfach beschließen. Wer sollte und könnte sie daran hindern? Wo kein Kläger, da kein Richter, sagt der Voksmund.

TS

 


Öffnungsklausel für Heimeltern

"Bei Mitarbeitern, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG), kann, sofern die Eigenart des Dienstes es erfordert, einzelvertraglich von den Arbeitszeitregelungen der Anlage 5 zu den AVR abgewichen werden."

Mit diesem Beschluss vom 15. März 2001 hat die Arbeitsrechtliche Kommission die Möglichkeit eröffnet, bestimmte Personengruppen von den tariflichen Arbeitszeitregelungen mit deren Einverständnis auszunehmen. 

Die Öffnungsklausel wurde wegen unterschiedlicher Rechtsauffassungen nötig. Manche meinen, die tariflichen Arbeitszeitregelungen der Anlage 5 zu den AVR seien auf den genannten Personenkreis nicht anzuwenden. Das ergebe sich daraus, dass das Arbeitszeitgesetz selbst als eine über den AVR stehende Norm die Heimeltern ausschließe. Bei dieser Sachlage könnten sie nicht über Anlage 5 arbeitszeitrechtlichen Regelungen unterworfen sein. Ist diese Ansicht richtig, hätte es des Beschlusses nicht bedurft, der Beschluss ginge ins Leere. 

Ferner wird die Auffassung vertreten, die in §18 des Arbeitszeitgesetzes Genannten seien keine echten Arbeitnehmer /innen, sondern eher frei schaffende, weisungsunabhängige Persönlichkeiten. Daher seien die AVR auf sie mangels Arbeitnehmereigenschaft nicht anzuwenden. 

Andrerseits wird aber auch die Meinung vertreten, Anlage 5 sei immer dann anzuwenden, wenn die Vertragsparteien einen Arbeitsvertrag nach den AVR abgeschlossen haben. Für diese Fälle und, um Rechtsklarheit zu schaffen, hat die AK ihren Öffnungsbeschluss gefasst. 

Anwendungsbereich Mit der Öffnungsklausel soll, wenn es die beiden Parteien des "Arbeitsvertrages" wollen, den besonderen Lebens- und Arbeitsbedingungen derjenigen Rechnung getragen werden, die mit Kindern (z. B. in SOS - Kinderdörfern), mit Behinderten, Pflegebedürftigen, älteren Menschen, Alkoholsüchtigen oder Drogenabhängigen in häuslicher Gemeinschaft zusammenleben und mit ihnen gemeinsam wohnen und wirtschaften. Diese häusliche Gemeinschaft lässt es kaum zu, treffgenau zwischen Arbeitszeit, Arbeitsbereitschaft, Dienstreisen, Bereitschaftsdienst, Pause, Ruhezeit und Freizeit zu unterscheiden. Hinzu kommt, dass "Heimeltern" den Tagesablauf selbständig planen und organisieren. Infolgedessen erscheint es gerechtfertigt, diese "Eltern" auf Wunsch von den Vorschriften über Arbeitszeit auszuklammern. Das bedeutet nicht, sie dürften hemmungslos überfordert werden. Selbstverständlich sind allgemeine Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes zu beachten.

Wurden in Vereinbarungen mit Heimeltern keine genauen Arbeitszeiten festgelegt, können auch die Anlagen 5a bis 6a nicht wortgetreu angewandt werden. Das bedeutet aber nicht, Heimeltern seien z. B. von Zeit- und Erschwerniszuschlägen ausgeschlossen. Sie müssen selbst nach Regelungen suchen, die ihre Betreuungsleistungen rund um die Uhr angemessen honorieren. Keine Ausweitung der Öffnungsklausel Die Klausel gilt nicht für Arbeitskräfte, die zusätzlich zu den in der Gemeinschaft Wohnenden als Reinigungs- oder Hauswirtschaftspersonal oder als ergänzende pädagogische Kräfte zeitlich begrenzt tätig sind. Sie gilt ebenso wenig für weiteres Personal, das nicht mit den Anvertrauten zusammenlebt, sondern zu Arbeitsschichten herangezogen wird. Die Klausel ist auch nicht auf Ferienfreizeiten oder ähnliche Maßnahmen anwendbar, die beispielsweise von Einrichtungen der Behindertenhilfe oder der Erziehungshilfe durchgeführt werden. Der Grund liegt darin, dass das Zusammenleben bei derartigen Maßnahmen nicht auf Dauer angelegt ist, sondern nur auf kurze Zeit. Die AK ist sich bewusst, dass Ferienfreizeiten einer arbeitszeitrechtlichen Grauzone zuzurechnen sind. Gleichwohl sah sich die AK nicht dazu aufgerufen, die Ferienfreizeiten zu regulieren, weil deren Voraussetzungen örtlich zu unterschiedlich sind. Hierfür sind gesonderte Abmachungen vor Ort, ggfs. über Dienstvereinbarungen, die bessere Lösung. 

WvF