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AK-Magazin Nr. 23 - Februar 2003


Raus aus dem BAT?
Am Scheideweg


Die Tarifschlacht im öffentlichen Dienst ist geschlagen. Der Pulverdampf verzieht sich langsam. Eine Drei vor dem Komma wird gegen 27 Monate aufgerechnet. Wundenlecken im Arbeitgeberlager ist angesagt. In normalen Zeiten rüsteten sich jetzt die Kommissionen des Dritten Weges zum jahrelang erprobten Abschreibemanöver. Doch es gibt keine normalen Zeiten mehr. Kaum waren die ersten Meldungen über den Abschluss auf dem Tisch, unkten Dienstgeber von Caritas und Diakonie unisono, dieses Ergebnis könne so nicht übernommen werden. Im Gegensatz zum Dienstnehmerlager, das prompt die unverzügliche und möglichst inhaltsgleiche Übernahme forderte. Das riecht nach einem zweiten Aufguss des Tarifkonflikts auf den billigen Plätzen.

In der Tat: Seit sich Kommunen, Bezirke, Landschaftsverbände, Kassen und sonstige Kostenträger dazu entschlossen haben, ihre Finanzprobleme rücksichtslos an die freien Träger sozialer Dienstleistungen weiterzureichen, ist die Refinanzierung knapp und guter Rat teuer. Die Träger sozialer Einrichtungen halten zwar noch Personal und Dienstleistungen vor, doch es gelingt ihnen immer weniger, dafür auch kostendeckende Preise zu erzielen. Die Schere zwischen Aufwand und Ertrag öffnet sich immer weiter. Die davon laufenden Kosten lassen Trägervermögen schmelzen wie Schnee in der Frühlingssonne.
Immer mehr Dienste geraten finanziell ins Trudeln, in den Finanzabteilungen der Verbände herrscht helle Aufregung, das Management übt sich in Ratlosigkeit. Obwohl die Nachfrage nach sozialen Dienstleistungen schier unerschöpflich ist, will keiner dafür die Kosten übernehmen. Alle haben sich in den vergangenen Jahrzehnten daran gewöhnt, dass irgendjemand dafür schon zahlen wird, nur nicht man/frau selbst. Doch dieses Spiel will keiner mehr weiterspielen. Markt soll werden, wo bisher solidarische Refinanzierung herrschte. Ganz so, als sei der "Markt" dafür prädestiniert, soziale Probleme zu lösen. Das ist neu. Denn in der Vergangenheit hat er soziale Probleme nur geschaffen, nicht gelöst.

In dieser Situation kommt so ein Tarifabschluss natürlich so passend wie ein Unwetter über eine Bittprozession. Doch es hilft nichts: Mitgefangen -Mitgehangen. So vermutlich auch dieses Mal. Die verfasste Kirche hat bislang den BAT in Reinkultur übernommen und das Ergebnis ihrer Übernahme nur verschieden umgetauft. Die Caritas hat es ihr nachgemacht und ihr BAT-Tarifkind AVR getauft. Das Verfahren hatte Sinn und Berechtigung. Die Kirchen bilden ihren höheren Verwaltungsnachwuchs ja nicht selber aus, sondern werben ihn vom öffentlichen Dienst ab. Und das klappt nur bei vergleichbaren Bedingungen. Desgleichen bei Diakonie und Caritas. Dort unterhält man gleichartige Einrichtungen wie im öffentlichen Dienst (Kindergärten, Jugendheime, Krankenhäuser, Seniorenheime etc.) zu selbstverständlich vergleichbaren Verdienstchancen.

Sich aus diesem Selbstverständnis der Vergleichbarkeit zu verabschieden, wäre ein schwerer Imageschaden für Kirche und Caritas. Käme sie doch wieder in den Ruch der armeLeuteCaritas, die second-hand-Dienstleistungen zum "Vergelt's-Gott-Tarif" anbietet. Mit diesem Image hatte sie noch in den 50er- und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts zu kämpfen, und sie war froh, in den 70ern endlich den Anschluss an den öffentlichen Dienst geschafft zu haben und sich als professioneller Dienstleister präsentieren zu können. Und dieses mühsam erkämpfte Terrain der Gleichwertigkeit soll nun so mir nix dir nix aufgegeben werden? Kaum vorstellbar.

Sicher, betriebswirtschaftlich mag mancher sich einen Vorteil davon ausrechnen, wenn er Pflege oder andere Dienstleistungen "billiger" und damit konkurrenzfähiger als die Einrichtung nebenan anbieten kann. Doch bei stark nachlassendem Interesse an sozialen Berufen suchen sich Berufsanfänger erst mal die besseren Stellen im öffentlichen Dienst aus, bevor sie mit den 2.-Wahl-Stellen der Caritas Vorlieb nehmen. Und irgendwann hat die Caritas dann mangels geeigneten und gut motivierten Personals gar nichts mehr billiger anzubieten. Sie ist weg vom Fenster. Der Markt hat's gegeben, der Markt hat's genommen, gepriesen sei der Markt.

Bevor die Caritas sich also freiwillig einen solchen Imageschaden antut, wird sie wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und den Tarifabschluss zähneknirschend übernehmen. Die Übernahme wird allerdings nicht ohne die Kröte einer Notöffnungsklausel zu haben sein. Die AK wird wohl für Einrichtungen und Träger, die schon jetzt an der Grenze der Insolvenz entlangschliddern, einen Notausstieg vorbereiten müssen, um notwendigen Sanierungsbemühungen noch eine Chance zu lassen.

Die Arbeitsrechtliche Kommission hat bereits Erfahrungen mit Notöffnungsklauseln gesammelt. Es wird darum gehen, diese Erfahrungen in eine neue Klausel zu übertragen. Eine zeitlich begrenzte Verschiebung der Tarifübernahme, ein zeitweiliger Ausstieg aus der aktuellen AVRVergütung, eine einmalig Streichung von Sondervergütungen: Das wäre im Interesse des dauerhaften Erhalts der Einrichtung und ihrer Arbeitsplätze hinnehmbar, wenn nachweislich gesichert ist, dass diese Maßnahmen zur Gesundung der Einrichtung auch das geeignete Mittel sind. Wenn die Kürzungen bloß eine Verlängerung der betrieblichen Agonie bewirken, ist eine ehrliche Insolvenz die bessere Alternative.

So brutal es klingen mag: Erst wenn Hunderte von sozialen Einrichtungen pleite gegangen sind, merken die Marktstrategen, dass der Markt doch nicht hält, was er so vollmundig verspricht.

Vielleicht gelingt es ja den vielen, vielen Managern sozialer Einrichtungen, ihren Gesprächs und Verhandlungspartnern in der Politik und bei den Kassen klar zu machen, dass der Markt die Probleme sozialer Einrichtungen schon lange gelöst hätte, wenn er es denn könnte. Dass sich die Finanzierung sozialer Einrichtungen anders entwickelte, hatte seinen Grund. In einem ziemlich kruden Kapitalismus mussten die sozial ruinierenden Folgen individueller Lebensrisiken durch kluge Zwangsinterventionen solidarisch aufgefangen und erträglich gestaltet werden. Derzeit geht das Denken in die andere Richtung: Raus aus der Solidarfinanzierung, rein in die Privatisierung von Lebensrisiken wie Krankheit, Altern oder Behinderung. Vielleicht gelingt es ja, die Einsicht in Bewährtes wiederzuerwecken, bevor die letzte soziale Einrichtung den Schlüssel abgegeben hat.

Und wenn die Tarifübernahme des öffentlichen Dienstes für den Sozialbereich diesen Erkenntnisprozess beschleunigt, dann umso besser. Es ist ja wirklich nicht einzusehen, warum ein notwendiger Erkenntnisgewinn von politisch Verantwortlichen ausgerechnet auf Kosten der im Sozialbereich Tätigen verzögert werden soll.

Also, her mit dem BAT-Abschluss! Die Alternativen wären Ausstieg und damit Abstieg.

wbf




Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur
Tarifqualität kirchlicher Arbeitsrechtsnormen
von Henriette Crüwell

Endlich gibt es nun auch eine Entscheidung des BAG zur normativen Wirkung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen im Rahmen eines Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB.

Es gibt kirchliche Dienstgeber, die ein vitales Interesse daran haben, dass die Regelung des § 613a Abs.1 Satz 2 und 3 BGB auch für kirchliche Arbeitsvertragsregelungen gilt bzw. analog angewendet werden kann. Diesem Begehren kirchlicher Dienstgeber hat das BAG im zu entscheidenden Fall eine klare Absage erteilt. Zwar bezieht sich die Entscheidung des BAG auf die Arbeitsvertragsregelungen des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche Deutschlands, sie kann aber ohne weiteres auch auf die Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes übertragen werden.

Warum ist § 613a BGB so interessant?

Wird ein Betrieb (oder bei Kirchens eine Einrichtung) veräußert bzw. auf einen anderen Rechtsträger übertragen, dann tritt der Betriebserwerber in die Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Erwerber und dem Arbeitnehmer und dürfen vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers nicht geändert werden.
Möchte der neue Betriebsinhaber den Arbeitsvertrag dann nach Ablauf des Jahres ändern, kann er entweder in Übereinstimmung mit dem Mitarbeiter einen Änderungsvertrag schließen oder gegen den Willen des Mitarbeiters eine Änderungskündigung aussprechen. Besteht aber beim neuen Betriebsinhaber ein anderer Tarifvertrag, so verdrängt dieser die beim bisherigen Betriebsinhaber bestehenden Kollektivnormen. Dieser Verdrängungseffekt tritt auch dann ein, wenn der bei dem neuen Betriebserwerber geltende Tarifvertrag für die übernommenen Mitarbeiter ungünstigere Regelungen enthält. Voraussetzung ist aber – so der Wortlaut des § 613a BGB die beiderseitige Tarifgeltung.
§ 613a BGB erwähnt die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen nicht. In Juristenkreisen wird daher die Frage diskutiert, ob kirchliche Arbeitsrechtsregelungen den Tarifverträgen im Falle des Betriebsübergangs gleichgestellt werden können, ob sie also ebenfalls normative Wirkung beanspruchen können. Würde man das bejahen, so müssten die kirchlichen Arbeitsrechtsregelung, die beim neuen Inhaber der Einrichtung gelten, nicht erst durch vertragliche Vereinbarung oder Änderungskündigung auf die Arbeitsverhältnisse mit den übernommenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern übertragen werden, sondern sie würden automatisch gelten und bisherige Kollektivnormen, die u.U. zu teuer geworden sind, nach Ablauf eines Jahres einfach verdrängen.

Der Fall für die Entscheidung des BAG

Die Klägerin war seit 1991 als Pflegekraft in der ambulanten Pflege beim Kirchenkreis S. angestellt, der einen ambulanten Pflegedienst betrieb. Gemäß der üblichen Einbeziehungsabrede im Arbeitsvertrag war auf das Arbeitsverhältnis der BATKF anzuwenden. Was auch immer das Motiv war (dem Kirchenkreis wurde der ambulante Pflegedienst wohl zu teuer), 1998 lagerte er den Pflegedienst aus und übertrug ihn auf die Beklagte, eine gemeinnützige GmbH. Auf die Beklagte ging das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin gemäß § 613a BGB über. Die Beklagte wollte nun ein Jahr später (1999) nicht mehr den BATKF auf das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin anwenden, sondern die AVREKD. Diesen Wechsel begründete sie damit, dass sie als Mitglied im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen gehalten sei, die AVREKD auf die Arbeitsverhältnisse mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anzuwenden, denen ebenso wie einem Tarifvertrag normative Wirkung zukomme. Die Differenz zwischen der bisherigen (nach BATKF) und der neuen monatlichen Bruttovergütung (nach den AVREKD) sollte durch eine aufzehrbare Besitzstandszulage bis zum 31.12.2001 ausgeglichen werden. Die Klägerin hat ein entsprechendes Angebot der Beklagten zur Änderung des Arbeitsvertrages nicht angenommen. Sie hat beantragt, festzustellen, dass auf das bestehende Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 1.10.1999 hinaus weiterhin der BATKF anzuwenden ist.

Amtliche Leitsätze des BAG:

1. Art 140 GG i.V. mit Art 137 II WRV begründet ohne entsprechende kirchengesetzliche Regelung keine unmittelbare und zwingende (normative) Geltung einer kirchlichen Arbeitsrechtsregelung des Dritten Wegs für Arbeitsverhältnisse mit kirchlichen Arbeitgebern.
2. Ohne eine einschlägige kirchengesetzliche Regelung bestand kein Anlass darüber zu entscheiden, ob und inwieweit eine solche normative Geltung durch Kirchengesetz herbeigeführt werden kann.
(BAG vom 20.3.2002 – 4 AZR 101/01; Vorinstanz: LAG Hamm vom 17.10.2000 7 SA 1122/00)

Kommentar

Seit es den Dritten Weg gibt, wird die Frage diskutiert, ob und in welchem Ausmaß die kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien den Tarifverträgen in der unmittelbaren normativen Wirkung gleichgestellt werden können. Die Diskussion entzündet sich in der Regel an zwei Problemkreisen: Zum einen, wenn es um die materielle Richtigkeitsgewähr geht, zum anderen im Rahmen des Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB. Bisher gab es Entscheidungen des BAG nur zu dem ersten Problemkreis. In zunehmendem Maße werden die Arbeitsgerichte aber mit Fällen im Rahmen des § 613a BGB beschäftigt. Die nun vorliegende Entscheidung des BAG ist eine Bestätigung des Urteils des LAG Hamm vom 17.10.2000. Das LAG kam zu der Feststellung, dass die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen nicht dem Tarifvertrag gleichgestellt werden können. Im Unterschied zu Kollektivverträgen wie dem Tarifvertrag beruhten sie auf kirchenrechtlichen Bestimmungen und innerkirchlichen Vereinbarungen. Den kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen fehlt nach der Feststellung des LAG Hamm die erforderlichen Rechtsetzungsautonomie. Beiden Seiten der Arbeitsrechtlichen Kommissionen des Dritten Weges werde die Unabhängigkeit des Art 9 III GG gerade nicht eingeräumt.

Einbeziehungsabrede anstatt Tarifnorm

Das BAG hat die Entscheidung des LAG Hamm bestätigt und festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nach dem Betriebsübergang am 1.10.1999 der BATKF kraft Vereinbarung im Arbeitsvertrag weiterhin anzuwenden ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten habe sich hieran durch den Betriebsübergang nichts geändert. Die AVREKD hätten den BATKF vorliegend nicht verdrängt. Den kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen käme keine dem Tarifvertrag vergleichbare normative Wirkung zu. Das säkulare Recht ordne für kirchliche Arbeitsrechtsregelungen keine unmittelbare und zwingende Geltung an. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG bedürften kirchliche Arbeitsrechtsregelungen stets der vertraglichen Transformation durch Einzelvertrag, Gesamtzusage oder Einheitsregelung.

Normative Wirkung aus 140 GG?

Auch aus dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen (Art 140 GG iVm Art 137 III WRV) allein ließe sich keine normative Wirkung herleiten. Wolle die Kirche sich nicht auf die vertragliche Einbeziehung der Arbeitsrechtsregelungen in die Arbeitsverhältnisse beschränken, sondern einen normativen Geltungsanspruch beanspruchen, so müsse sie einen solchen Geltungsbefehl kirchengesetzlich anordnen. Nach der Ansicht des BAG müsste eine solche Anordnung nicht nur den Inhalt und die Reichweite der normativen Wirkung enthalten sondern auch den Adressatenkreis der normativen Wirkung.
Das BAG lässt offen, ob das kirchliche Recht eine normative Wirkung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen für alle mit einem kirchlichen Arbeitgeber abgeschlossenen Arbeitsverhältnisse anordnen könnte.

Grundverschiedene Voraussetzungen

Eine analoge Anwendung des Tarifvertragsgesetzes (TVG) scheide aus. Denn die Grundvoraussetzungen für Tarifverträge einerseits und Arbeitsrechtsregelungen andererseits seien zu unterschiedlich für eine analoge Anwendung des TVG. Während die normative Wirkung von Tarifverträgen auf Art 9 III GG beruht, läge dem Dritten Weg das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen zugrunde. Das BAG kommt schließlich zu der Feststellung, dass § 613a I 2 und 3 BGB auch nicht analog für die AVREKD gelten kann. Die AVREKD würden für das Arbeitsverhältnis entgegen der Ansicht der Beklagten eben gerade nicht normativ wie ein Tarifvertrag gelten. Sie würden schon deshalb nicht normativ für die Beklagte gelten, weil die Satzung des Diakonischen Werkes von Westfalen der Beklagten als sein Mitglied die Wahl lässt, den BATKF oder die AVREKD anzuwenden. Eine solche einseitige Auswahlmöglichkeit erinnert, so das BAG, an den Ersten Weg, der sich dadurch auszeichne, dass der kirchliche Dienstgeber die Arbeitsbedingungen festsetzt. Das Gericht bestreitet damit, dass die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen den betroffenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen denselben Schutz vor einer Übermacht des Dienstgebers bieten wie ein Tarifvertrag.
Ob § 613a BGB analog auf die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen anzuwenden sei, wenn es so was wie ein Tarifvertragsgesetz der Kirchen gäbe, also wenn die Kirchen die normative Wirkung der kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen ausdrücklich regeln würden, lässt das BAG offen.

Die vorliegende Entscheidung des BAG ist zu begrüßen. Sie erteilt der in den einschlägigen Juristenkreisen vorherrschenden Ansicht, dass die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen normative Wirkung hätten, eine klare Absage. Zumindest solange die Kirche sich nicht eindeutig festlegt und die normative Wirkung der Arbeitsrechtsregelungen des Dritten Weges verbindlich regelt, kann von einer unmittelbaren normativen Wirkung der kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen nicht die Rede sein. Eine solche verbindliche Regelung hätte dann freilich auch Konsequenzen: Die Kommissionen des Dritten Weges müssten dann endlich auch von Seiten der Kirchenleitungen ernst genommen werden.

Wer die ganze Entscheidung im Volltext nachlesen möchte, kann dies tun unter: BAG, Urt. v. 20.3.2002 - 4 AZR 101/01, NZA 2002, 1402; oder unter www.bundesarbeitsgericht.de
H.C.

Die Kirchen werden also Farbe bekennen müssen. Wollen sie die normative Wirkung von KODABeschlüssen, dann müssen sie eine entsprechende kirchengesetzliche Grundlage dafür schaffen. Tun sie das nicht, lassen sie ihren Dritten Weg weiter im Zwielicht. Sind KODAen weiterhin nur beratende Gremien der Bischöfe? Wie weit reicht ihre Entscheidungsbefugnis wirklich? Die Vorkommnisse um die Umstellung der Zusatzversorgung haben diese Fragen mit einem Mal in den Mittelpunkt gerückt. Es wird höchste Zeit, dass hier eine saubere Klärung erfolgt. Dem BAG sei Dank!
wbf




Hemmungslos ausgliedern?
BAG schiebt Riegel vor
Grenzen der Unternehmerentscheidung
Zur Entscheidung des BAG vom 26.9.2002, 2 AZR 636/01 - ;
Vorinstanz: LAG SchleswigHolstein vom 14.6.2001 - 5 Sa 183/01

Auch zu kirchlichen Rechtsträgern ist die frohe Botschaft durchgedrungen, dass durch Auf und Abspaltungen, auf gut Deutsch auch Outsourcing genannt, Einsparungen erreicht und die Wettbewerbsfähigkeit der Einrichtung verbessert werden könnten. Beim Outsourcing werden Aufgabenbereiche ausgegliedert, die nicht zum "Kerngeschäft" eines Unternehmens gehören. Ziel des Outsourcing ist es, bestimmte Dienstleistungen nicht mehr selbst zu erbringen, sondern auf ein anderes, schon bestehendes oder noch zu gründendes Unternehmen zu übertragen, das die geforderte Leistung wirtschaftlicher erbringen kann. Im kirchlichen Bereich ist davon hauptsächlich der hauswirtschaftliche Bereich betroffen, also die Raumpflege, die Küche, die Wäscherei, Gärtnerei etc. Externe Dienstleistungsunternehmen scheinen billiger und effizienter als die hauseigenen Abteilungen. Vergleicht man den Stundenlohn einer Reinigungskraft im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen mit dem einer Reinigungskraft, die nach den AVR Caritas bezahlt wird, dann scheint diese Schlussfolgerung auf der Hand zu liegen. Aber wird auf diesem Weg nicht die Dienstgemeinschaft ausverkauft?

Ausverkauf der Dienstgemeinschaft

Gegen diesen Einwand wird in der Regel ins Feld geführt, dass die Hauswirtschaft, der ServiceBereich, nicht zum Kerngeschäft des kirchlichen Dienstes gehöre. In den heutigen wirtschaftlich schwierigen Zeiten müsse sich der kirchliche Dienst auf den Kernbereich konzentrieren. Bei einer solchen Argumentation entscheidet aber eindeutig nicht mehr die Theologie, was kirchliche Dienstgemeinschaft ist, sondern der Markt. Frei nach dem Motto: Was marktgerecht ist, bleibt drin; was zu teuer ist, fliegt raus!
Wer den Ausverkauf der kirchlichen Dienstgemeinschaft durch das Outsourcing nicht sehen will, versteht die Brisanz des Vorgangs nicht. Nicht dass und was ausgegründet wird, sondern wie und mit welchen Motiven ausgegründet wird, gefährdet die kirchliche Dienstgemeinschaft. Geht es doch nicht selten darum, aus den einzelvertraglich vereinbarten kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien herauszukommen, einzig und allein mit dem Ziel der Lohn und Einkommensabsenkung für die Ausgegliederten.

Freie Unternehmerentscheidung?

Ob Aufgabenbereiche ausgelagert werden sollen oder nicht, ist jedoch eine Unternehmerentscheidung. Grundsätzlich gilt, dass der Unternehmer, der das wirtschaftliche Risiko trägt, unternehmenspolitisch frei entscheiden kann. Wo sind aber die Grenzen dieser Unternehmerfreiheit erreicht und wer setzt diese Grenzen? Eine Rechtskontrolle durch die Arbeitsgerichte kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Unternehmerentscheidungen unterliegen jedoch einer gerichtlichen Missbrauchskontrolle. Ein Missbrauch der Unternehmerfreiheit liegt zum Beispiel vor, so das BAG im zu entscheidenden Fall, wenn die Ausgründung dazu genutzt werden soll, den Mitarbeitern den Kündigungsschutz zu nehmen.

Der Fall für's BAG

Die Klägerin war seit 1998 als Haushaltshilfe in der von der Beklagten betriebenen Rheumaklinik beschäftigt. Zur Kosteneinsparung beschloss die Beklagte, einige Servicebereiche der Klinik, so u.a. die Reinigung und die Küche zum 31.März 01 stillzulegen und allen dort beschäftigten Arbeitnehmern zu kündigen. Spätestens zum 1. April 2001 sollten sämtliche Dienstleistungen in diesen Bereichen auf eine noch zu gründende ServiceGmbH übertragen werden. So geschah es dann auch: Im März 2001 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin und gründete die ServiceGmbH, an der die Beklagte zu 51% beteiligt ist. Gesellschaftszweck der ServiceGmbH ist allein die Erbringung von Dienstleistungen für die Beklagte. Die ServiceGmbH erbringt ihre Leistungen namens und auf Rechnung der Beklagten. Nach dem Gesellschaftsvertrag muss der Geschäftsführer der ServiceGmbH sogar aus der Geschäftsleitung der Beklagten stammen. Die Beklagte stellt außerdem alle zum Betrieb erforderlichen Räume einschließlich Inventar und unterhält diese.

Fortdauernde Arbeitgeberstellung

Mit ihrer Kündigungsschutzklage macht die Klägerin die Sozialwidrigkeit der Kündigung geltend. Die Beklagte habe ihre Arbeitgeberstellung nicht aufgegeben. Als Mitgesellschafterin der Service GmbH habe sie maßgeblichen Einfluss auf deren Geschäftsführung.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos.

Fehlender betrieblicher Grund

Nach Feststellung des BAG ist die Kündigung sozialwidrig, weil in der Auslagerung der Servicebereiche auf die ServiceGmbH im vorliegenden Fall kein betrieblicher Grund vorgelegen habe, der die Kündigung zwingend erforderlich macht. Zwar sei die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einer Unternehmerentscheidung, durch die Arbeitsplätze wegfallen, von den Arbeitsgerichten inhaltlich nicht zu überprüfen. Die Entscheidung des Unternehmers unterliege jedoch einer schon verfassungsrechtlich (Art 12 I GG) gebotenen Missbrauchskontrolle. Das heißt, die Arbeitsgerichte müssen überprüfen, ob die Unternehmerentscheidung offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Das hat das BAG im vorliegenden Fall bejaht: Der Arbeitgeber, der durch die Bildung einer unselbständigen ServiceGmbH seinen Betrieb in mehrere Teile aufspaltet mit dem Ziel, den betroffenen Arbeitnehmern den Kündigungsschutz zu nehmen und den nach wie vor bestehenden Beschäftigungsbedarf mit von der unselbständigen ServiceGmbH neu einzustellenden Arbeitnehmern zu decken, handelt rechtsmissbräuchlich.
(Vgl. dazu auch die Pressemitteilung des BAG 69/02, nachzulesen unter www.bundesarbeitsgericht.de)
Neben der Frage der betriebsbedingten Kündigung, spielt beim Outsourcing immer auch der Kündigungsschutz aus § 613a BGB eine Rolle:
Geht der abgespaltene Teil der Einrichtung nämlich auf einen anderen Rechtsträger über, dann bestehen die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter fort und gehen auf den Erwerber gemäß § 613a BGB über. Eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs scheidet in einem solchen Fall sowohl für den bisherigen Arbeitgeber als auch für den Erwerber aus. Warum das BAG hier nicht auf § 613a BGB abstellt, geht aus der Pressemitteilung des BAG (die Entscheidung im Volltext ist erst in den nächsten Monaten zu erwarten) nicht hervor.
Wir werden darauf noch zurückkommen.
HC

Ausgliedern ist in. Auch DiözesanCaritasverbände bleiben von dieser Sucht nicht verschont. Besonders beliebt derzeit: "SeniorenServiceGesellschaften", in die mit Vorliebe "nicht zum Kerngeschäft" gehörende Berufsgruppen eingegliedert werden. Also z.Zt. hauswirtschaftliches und Reinigungspersonal. Die sind ihres angeblich überhöhten AVRWertes wegen der Dienstgemeinschaft für unwürdig befunden worden. Wen es wohl als nächste Gruppe erwischt? Krankenschwestern? Ärzte?? Sozialpädagogen??? Die Markt-Denke macht vor keinem Beruf Halt. Wenn das so weitergeht, sind am Ende nur noch die Caritasdirektoren in der Dienstgemeinschaft. Dann ist die CaritasWelt endlich wieder in Ordnung. Oder?
wbf


Streit um die Zusatzversorgung
Neues Rundschreiben der Einrichtungsleitungen

Zum Jahreswechsel ist in vielen Einrichtungen wiederum ein an alle Mitarbeiter/innen gerichtetes Informationsschreiben zur Zusatzversorgung der KZVK angekommen, dieses Mal vom Dienstgeber und nicht von der Kasse. Darin wird die Situation rund um den Systemwechsel aus Sicht des Dienstgebers (aus der Feder der KZVK?) dargestellt. Mitarbeiter/innen werden aufgefordert, den Empfang des Schreibens zu bestätigen.
Auch wenn man des Themas inzwischen schon fast überdrüssig geworden ist: Was steckt hinter diesem Schreiben ? Hatte nicht die Kasse schon im Sommer des letzten Jahres durch ihre Broschüren ausreichend informiert?
Die Mitarbeiterseite in der AK geht davon aus, dass die Dienstgeber sich mit dieser Aktion nochmals rechtlich gegenüber denjenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern absichern wollen, die keinen Widerspruch gegen ihre Startgutschrift, respektive gegen die rechtliche Wirksamkeit des Systemwechsels erhoben haben.
Dazu muss man sich noch einmal folgendes vergegenwärtigen: Ursprünglich bestand aus den Arbeitsverhältnissen ein Rechtsanspruch jeder Mitarbeiterin/jedes Mitarbeiters auf eine zusätzliche Altersversorgung im System der Gesamtversorgung. Wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass der Systemwechsel (aus welchen rechtlichen Gründen auch immer) unwirksam sei, hätten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ungeachtet der Veränderungen bei der Kasse, gegenüber ihrem Dienstgeber weiterhin einen Anspruch auf Gesamtversorgung, ggf. als Verschaffungsanspruch, ggf. auch als Aufstockungsanspruch gegenüber der (in sehr vielen Fällen) schlechteren PunkteRente. Dieser Anspruch könnte aber nur gegen den Dienstgeber und nicht gegen die Kasse geltend gemacht werden.
Wer Widerspruch gegen die Startgutschrift eingelegt hat und seinen Dienstgeber zur Rechtswahrung eine Aufforderung zur Sicherung der bisherigen Ansprüche geschickt hat (siehe Musterschreiben der AKMitarbeiterseite), dürfte auf der sicheren Seite sein.
Wer das nicht getan hat, gerät spätestens 6 Monate nach Erhalt dieses neuen Informationsbriefes des Dienstgebers in die Situation, dass er nach § 23 ("Ausschlussfrist") des Allgemeinen Teils der AVR keine Ansprüche aus der früheren Gesamtversorgung mehr geltend machen kann, auch wenn der Systemwechsel sich nachträglich in seinem "Ob" (Wechsel ist als solcher rechtsunwirksam) oder seinem "Wie" (Besitzstand ist rechtlich nicht zutreffend dargestellt) als unwirksam erweisen sollte.

Unser Rat:
Die Zeit läuft spätestens ab jetzt. Wer also noch etwas unternehmen will, hat nur bis 6 Monate nach Erhalt des Schreibens dazu noch Gelegenheit.

WB