Raus aus dem BAT?
Am Scheideweg
Die Tarifschlacht im öffentlichen Dienst ist geschlagen. Der Pulverdampf
verzieht sich langsam. Eine Drei vor dem Komma wird gegen 27 Monate
aufgerechnet. Wundenlecken im Arbeitgeberlager ist angesagt. In normalen
Zeiten rüsteten sich jetzt die Kommissionen des Dritten Weges zum
jahrelang erprobten Abschreibemanöver. Doch es gibt keine normalen
Zeiten mehr. Kaum waren die ersten Meldungen über den Abschluss
auf dem Tisch, unkten Dienstgeber von Caritas und Diakonie unisono,
dieses Ergebnis könne so nicht übernommen werden. Im Gegensatz
zum Dienstnehmerlager, das prompt die unverzügliche und möglichst
inhaltsgleiche Übernahme forderte. Das riecht nach einem zweiten
Aufguss des Tarifkonflikts auf den billigen Plätzen.
In der Tat: Seit sich Kommunen, Bezirke, Landschaftsverbände,
Kassen und sonstige Kostenträger dazu entschlossen haben, ihre
Finanzprobleme rücksichtslos an die freien Träger sozialer
Dienstleistungen weiterzureichen, ist die Refinanzierung knapp und guter
Rat teuer. Die Träger sozialer Einrichtungen halten zwar noch Personal
und Dienstleistungen vor, doch es gelingt ihnen immer weniger, dafür
auch kostendeckende Preise zu erzielen. Die Schere zwischen Aufwand
und Ertrag öffnet sich immer weiter. Die davon laufenden Kosten
lassen Trägervermögen schmelzen wie Schnee in der Frühlingssonne.
Immer mehr Dienste geraten finanziell ins Trudeln, in den Finanzabteilungen
der Verbände herrscht helle Aufregung, das Management übt
sich in Ratlosigkeit. Obwohl die Nachfrage nach sozialen Dienstleistungen
schier unerschöpflich ist, will keiner dafür die Kosten übernehmen.
Alle haben sich in den vergangenen Jahrzehnten daran gewöhnt, dass
irgendjemand dafür schon zahlen wird, nur nicht man/frau selbst.
Doch dieses Spiel will keiner mehr weiterspielen. Markt soll werden,
wo bisher solidarische Refinanzierung herrschte. Ganz so, als sei der
"Markt" dafür prädestiniert, soziale Probleme zu
lösen. Das ist neu. Denn in der Vergangenheit hat er soziale Probleme
nur geschaffen, nicht gelöst.
In dieser Situation kommt so ein Tarifabschluss natürlich so passend
wie ein Unwetter über eine Bittprozession. Doch es hilft nichts:
Mitgefangen -Mitgehangen. So vermutlich auch dieses Mal. Die verfasste
Kirche hat bislang den BAT in Reinkultur übernommen und das Ergebnis
ihrer Übernahme nur verschieden umgetauft. Die Caritas hat es ihr
nachgemacht und ihr BAT-Tarifkind AVR getauft. Das Verfahren hatte Sinn
und Berechtigung. Die Kirchen bilden ihren höheren Verwaltungsnachwuchs
ja nicht selber aus, sondern werben ihn vom öffentlichen Dienst
ab. Und das klappt nur bei vergleichbaren Bedingungen. Desgleichen bei
Diakonie und Caritas. Dort unterhält man gleichartige Einrichtungen
wie im öffentlichen Dienst (Kindergärten, Jugendheime, Krankenhäuser,
Seniorenheime etc.) zu selbstverständlich vergleichbaren Verdienstchancen.
Sich aus diesem Selbstverständnis der Vergleichbarkeit zu verabschieden,
wäre ein schwerer Imageschaden für Kirche und Caritas. Käme
sie doch wieder in den Ruch der armeLeuteCaritas, die second-hand-Dienstleistungen
zum "Vergelt's-Gott-Tarif" anbietet. Mit diesem Image hatte
sie noch in den 50er- und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts zu kämpfen,
und sie war froh, in den 70ern endlich den Anschluss an den öffentlichen
Dienst geschafft zu haben und sich als professioneller Dienstleister
präsentieren zu können. Und dieses mühsam erkämpfte
Terrain der Gleichwertigkeit soll nun so mir nix dir nix aufgegeben
werden? Kaum vorstellbar.
Sicher, betriebswirtschaftlich mag mancher sich einen Vorteil davon
ausrechnen, wenn er Pflege oder andere Dienstleistungen "billiger"
und damit konkurrenzfähiger als die Einrichtung nebenan anbieten
kann. Doch bei stark nachlassendem Interesse an sozialen Berufen suchen
sich Berufsanfänger erst mal die besseren Stellen im öffentlichen
Dienst aus, bevor sie mit den 2.-Wahl-Stellen der Caritas Vorlieb nehmen.
Und irgendwann hat die Caritas dann mangels geeigneten und gut motivierten
Personals gar nichts mehr billiger anzubieten. Sie ist weg vom Fenster.
Der Markt hat's gegeben, der Markt hat's genommen, gepriesen sei der
Markt.
Bevor die Caritas sich also freiwillig einen solchen Imageschaden antut,
wird sie wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und den
Tarifabschluss zähneknirschend übernehmen. Die Übernahme
wird allerdings nicht ohne die Kröte einer Notöffnungsklausel
zu haben sein. Die AK wird wohl für Einrichtungen und Träger,
die schon jetzt an der Grenze der Insolvenz entlangschliddern, einen
Notausstieg vorbereiten müssen, um notwendigen Sanierungsbemühungen
noch eine Chance zu lassen.
Die Arbeitsrechtliche Kommission hat bereits Erfahrungen mit Notöffnungsklauseln
gesammelt. Es wird darum gehen, diese Erfahrungen in eine neue Klausel
zu übertragen. Eine zeitlich begrenzte Verschiebung der Tarifübernahme,
ein zeitweiliger Ausstieg aus der aktuellen AVRVergütung, eine
einmalig Streichung von Sondervergütungen: Das wäre im Interesse
des dauerhaften Erhalts der Einrichtung und ihrer Arbeitsplätze
hinnehmbar, wenn nachweislich gesichert ist, dass diese Maßnahmen
zur Gesundung der Einrichtung auch das geeignete Mittel sind. Wenn die
Kürzungen bloß eine Verlängerung der betrieblichen Agonie
bewirken, ist eine ehrliche Insolvenz die bessere Alternative.
So brutal es klingen mag: Erst wenn Hunderte von sozialen Einrichtungen
pleite gegangen sind, merken die Marktstrategen, dass der Markt doch
nicht hält, was er so vollmundig verspricht.
Vielleicht gelingt es ja den vielen, vielen Managern sozialer Einrichtungen,
ihren Gesprächs und Verhandlungspartnern in der Politik und bei
den Kassen klar zu machen, dass der Markt die Probleme sozialer Einrichtungen
schon lange gelöst hätte, wenn er es denn könnte. Dass
sich die Finanzierung sozialer Einrichtungen anders entwickelte, hatte
seinen Grund. In einem ziemlich kruden Kapitalismus mussten die sozial
ruinierenden Folgen individueller Lebensrisiken durch kluge Zwangsinterventionen
solidarisch aufgefangen und erträglich gestaltet werden. Derzeit
geht das Denken in die andere Richtung: Raus aus der Solidarfinanzierung,
rein in die Privatisierung von Lebensrisiken wie Krankheit, Altern oder
Behinderung. Vielleicht gelingt es ja, die Einsicht in Bewährtes
wiederzuerwecken, bevor die letzte soziale Einrichtung den Schlüssel
abgegeben hat.
Und wenn die Tarifübernahme des öffentlichen Dienstes für
den Sozialbereich diesen Erkenntnisprozess beschleunigt, dann umso besser.
Es ist ja wirklich nicht einzusehen, warum ein notwendiger Erkenntnisgewinn
von politisch Verantwortlichen ausgerechnet auf Kosten der im Sozialbereich
Tätigen verzögert werden soll.
Also, her mit dem BAT-Abschluss! Die Alternativen wären
Ausstieg und damit Abstieg.
wbf
Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur
Tarifqualität kirchlicher Arbeitsrechtsnormen
von Henriette Crüwell
Endlich gibt es nun auch eine Entscheidung des BAG zur normativen Wirkung
kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen im Rahmen eines Betriebsübergangs
gemäß § 613a BGB.
Es gibt kirchliche Dienstgeber, die ein vitales Interesse daran haben,
dass die Regelung des § 613a Abs.1 Satz 2 und 3 BGB auch für
kirchliche Arbeitsvertragsregelungen gilt bzw. analog angewendet werden
kann. Diesem Begehren kirchlicher Dienstgeber hat das BAG im zu entscheidenden
Fall eine klare Absage erteilt. Zwar bezieht sich die Entscheidung des
BAG auf die Arbeitsvertragsregelungen des Diakonischen Werkes der Evangelischen
Kirche Deutschlands, sie kann aber ohne weiteres auch auf die Arbeitsvertragsrichtlinien
des Deutschen Caritasverbandes übertragen werden.
Warum ist § 613a BGB so interessant?
Wird ein Betrieb (oder bei Kirchens eine Einrichtung) veräußert
bzw. auf einen anderen Rechtsträger übertragen, dann tritt
der Betriebserwerber in die Rechte und Pflichten aus den bestehenden
Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch
Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt
des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Erwerber und dem Arbeitnehmer
und dürfen vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs
zum Nachteil des Arbeitnehmers nicht geändert werden.
Möchte der neue Betriebsinhaber den Arbeitsvertrag dann nach Ablauf
des Jahres ändern, kann er entweder in Übereinstimmung mit
dem Mitarbeiter einen Änderungsvertrag schließen oder gegen
den Willen des Mitarbeiters eine Änderungskündigung aussprechen.
Besteht aber beim neuen Betriebsinhaber ein anderer Tarifvertrag, so
verdrängt dieser die beim bisherigen Betriebsinhaber bestehenden
Kollektivnormen. Dieser Verdrängungseffekt tritt auch dann ein,
wenn der bei dem neuen Betriebserwerber geltende Tarifvertrag für
die übernommenen Mitarbeiter ungünstigere Regelungen enthält.
Voraussetzung ist aber – so der Wortlaut des § 613a BGB die
beiderseitige Tarifgeltung.
§ 613a BGB erwähnt die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen
nicht. In Juristenkreisen wird daher die Frage diskutiert, ob kirchliche
Arbeitsrechtsregelungen den Tarifverträgen im Falle des Betriebsübergangs
gleichgestellt werden können, ob sie also ebenfalls normative Wirkung
beanspruchen können. Würde man das bejahen, so müssten
die kirchlichen Arbeitsrechtsregelung, die beim neuen Inhaber der Einrichtung
gelten, nicht erst durch vertragliche Vereinbarung oder Änderungskündigung
auf die Arbeitsverhältnisse mit den übernommenen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern übertragen werden, sondern sie würden automatisch
gelten und bisherige Kollektivnormen, die u.U. zu teuer geworden sind,
nach Ablauf eines Jahres einfach verdrängen.
Der Fall für die Entscheidung des BAG
Die Klägerin war seit 1991 als Pflegekraft in der ambulanten Pflege
beim Kirchenkreis S. angestellt, der einen ambulanten Pflegedienst betrieb.
Gemäß der üblichen Einbeziehungsabrede im Arbeitsvertrag
war auf das Arbeitsverhältnis der BATKF anzuwenden. Was auch immer
das Motiv war (dem Kirchenkreis wurde der ambulante Pflegedienst wohl
zu teuer), 1998 lagerte er den Pflegedienst aus und übertrug ihn
auf die Beklagte, eine gemeinnützige GmbH. Auf die Beklagte ging
das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin gemäß §
613a BGB über. Die Beklagte wollte nun ein Jahr später (1999)
nicht mehr den BATKF auf das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin
anwenden, sondern die AVREKD. Diesen Wechsel begründete sie damit,
dass sie als Mitglied im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche
von Westfalen gehalten sei, die AVREKD auf die Arbeitsverhältnisse
mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anzuwenden, denen ebenso
wie einem Tarifvertrag normative Wirkung zukomme. Die Differenz zwischen
der bisherigen (nach BATKF) und der neuen monatlichen Bruttovergütung
(nach den AVREKD) sollte durch eine aufzehrbare Besitzstandszulage bis
zum 31.12.2001 ausgeglichen werden. Die Klägerin hat ein entsprechendes
Angebot der Beklagten zur Änderung des Arbeitsvertrages nicht angenommen.
Sie hat beantragt, festzustellen, dass auf das bestehende Arbeitsverhältnis
zwischen den Parteien über den 1.10.1999 hinaus weiterhin der BATKF
anzuwenden ist.
Amtliche Leitsätze des BAG:
1. Art 140 GG i.V. mit Art 137 II WRV begründet
ohne entsprechende kirchengesetzliche Regelung keine unmittelbare
und zwingende (normative) Geltung einer kirchlichen Arbeitsrechtsregelung
des Dritten Wegs für Arbeitsverhältnisse mit kirchlichen
Arbeitgebern.
2. Ohne eine einschlägige kirchengesetzliche Regelung bestand
kein Anlass darüber zu entscheiden, ob und inwieweit eine solche
normative Geltung durch Kirchengesetz herbeigeführt werden kann.
(BAG vom 20.3.2002 – 4 AZR 101/01; Vorinstanz: LAG Hamm vom
17.10.2000 7 SA 1122/00)
Kommentar
Seit es den Dritten Weg gibt, wird die Frage diskutiert, ob und in
welchem Ausmaß die kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien den
Tarifverträgen in der unmittelbaren normativen Wirkung gleichgestellt
werden können. Die Diskussion entzündet sich in der Regel
an zwei Problemkreisen: Zum einen, wenn es um die materielle Richtigkeitsgewähr
geht, zum anderen im Rahmen des Betriebsübergangs gemäß
§ 613a BGB. Bisher gab es Entscheidungen des BAG nur zu dem ersten
Problemkreis. In zunehmendem Maße werden die Arbeitsgerichte aber
mit Fällen im Rahmen des § 613a BGB beschäftigt. Die
nun vorliegende Entscheidung des BAG ist eine Bestätigung des Urteils
des LAG Hamm vom 17.10.2000. Das LAG kam zu der Feststellung, dass die
kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen nicht dem Tarifvertrag gleichgestellt
werden können. Im Unterschied zu Kollektivverträgen wie dem
Tarifvertrag beruhten sie auf kirchenrechtlichen Bestimmungen und innerkirchlichen
Vereinbarungen. Den kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen fehlt nach der
Feststellung des LAG Hamm die erforderlichen Rechtsetzungsautonomie.
Beiden Seiten der Arbeitsrechtlichen Kommissionen des Dritten Weges
werde die Unabhängigkeit des Art 9 III GG gerade nicht eingeräumt.
Einbeziehungsabrede anstatt Tarifnorm
Das BAG hat die Entscheidung des LAG Hamm bestätigt und festgestellt,
dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nach dem Betriebsübergang
am 1.10.1999 der BATKF kraft Vereinbarung im Arbeitsvertrag weiterhin
anzuwenden ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten habe sich hieran
durch den Betriebsübergang nichts geändert. Die AVREKD hätten
den BATKF vorliegend nicht verdrängt. Den kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen
käme keine dem Tarifvertrag vergleichbare normative Wirkung zu.
Das säkulare Recht ordne für kirchliche Arbeitsrechtsregelungen
keine unmittelbare und zwingende Geltung an. Nach der ständigen
Rechtsprechung des BAG bedürften kirchliche Arbeitsrechtsregelungen
stets der vertraglichen Transformation durch Einzelvertrag, Gesamtzusage
oder Einheitsregelung.
Normative Wirkung aus 140 GG?
Auch aus dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen (Art 140 GG iVm Art
137 III WRV) allein ließe sich keine normative Wirkung herleiten.
Wolle die Kirche sich nicht auf die vertragliche Einbeziehung der Arbeitsrechtsregelungen
in die Arbeitsverhältnisse beschränken, sondern einen normativen
Geltungsanspruch beanspruchen, so müsse sie einen solchen Geltungsbefehl
kirchengesetzlich anordnen. Nach der Ansicht des BAG müsste eine
solche Anordnung nicht nur den Inhalt und die Reichweite der normativen
Wirkung enthalten sondern auch den Adressatenkreis der normativen Wirkung.
Das BAG lässt offen, ob das kirchliche Recht eine normative Wirkung
kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen für alle mit einem kirchlichen
Arbeitgeber abgeschlossenen Arbeitsverhältnisse anordnen könnte.
Grundverschiedene Voraussetzungen
Eine analoge Anwendung des Tarifvertragsgesetzes (TVG) scheide aus.
Denn die Grundvoraussetzungen für Tarifverträge einerseits
und Arbeitsrechtsregelungen andererseits seien zu unterschiedlich für
eine analoge Anwendung des TVG. Während die normative Wirkung von
Tarifverträgen auf Art 9 III GG beruht, läge dem Dritten Weg
das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen zugrunde. Das BAG kommt schließlich
zu der Feststellung, dass § 613a I 2 und 3 BGB auch nicht analog
für die AVREKD gelten kann. Die AVREKD würden für das
Arbeitsverhältnis entgegen der Ansicht der Beklagten eben gerade
nicht normativ wie ein Tarifvertrag gelten. Sie würden schon deshalb
nicht normativ für die Beklagte gelten, weil die Satzung des Diakonischen
Werkes von Westfalen der Beklagten als sein Mitglied die Wahl lässt,
den BATKF oder die AVREKD anzuwenden. Eine solche einseitige Auswahlmöglichkeit
erinnert, so das BAG, an den Ersten Weg, der sich dadurch auszeichne,
dass der kirchliche Dienstgeber die Arbeitsbedingungen festsetzt. Das
Gericht bestreitet damit, dass die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen
den betroffenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen denselben Schutz vor
einer Übermacht des Dienstgebers bieten wie ein Tarifvertrag.
Ob § 613a BGB analog auf die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen
anzuwenden sei, wenn es so was wie ein Tarifvertragsgesetz der Kirchen
gäbe, also wenn die Kirchen die normative Wirkung der kirchlichen
Arbeitsrechtsregelungen ausdrücklich regeln würden, lässt
das BAG offen.
Die vorliegende Entscheidung des BAG ist zu begrüßen.
Sie erteilt der in den einschlägigen Juristenkreisen vorherrschenden
Ansicht, dass die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen normative Wirkung
hätten, eine klare Absage. Zumindest solange die Kirche sich nicht
eindeutig festlegt und die normative Wirkung der Arbeitsrechtsregelungen
des Dritten Weges verbindlich regelt, kann von einer unmittelbaren normativen
Wirkung der kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen nicht die Rede sein.
Eine solche verbindliche Regelung hätte dann freilich auch Konsequenzen:
Die Kommissionen des Dritten Weges müssten dann endlich auch von
Seiten der Kirchenleitungen ernst genommen werden.
Wer die ganze Entscheidung im Volltext nachlesen möchte, kann
dies tun unter: BAG, Urt. v. 20.3.2002 - 4 AZR 101/01, NZA 2002, 1402;
oder unter www.bundesarbeitsgericht.de
H.C.
Die Kirchen werden also Farbe bekennen müssen.
Wollen sie die normative Wirkung von KODABeschlüssen, dann müssen
sie eine entsprechende kirchengesetzliche Grundlage dafür schaffen.
Tun sie das nicht, lassen sie ihren Dritten Weg weiter im Zwielicht.
Sind KODAen weiterhin nur beratende Gremien der Bischöfe? Wie weit
reicht ihre Entscheidungsbefugnis wirklich? Die Vorkommnisse um die
Umstellung der Zusatzversorgung haben diese Fragen mit einem Mal in
den Mittelpunkt gerückt. Es wird höchste Zeit, dass hier eine
saubere Klärung erfolgt. Dem BAG sei Dank!
wbf
Hemmungslos ausgliedern?
BAG schiebt Riegel vor
Grenzen der Unternehmerentscheidung
Zur Entscheidung des BAG vom 26.9.2002, 2 AZR 636/01 - ;
Vorinstanz: LAG SchleswigHolstein vom 14.6.2001 - 5 Sa 183/01
Auch zu kirchlichen Rechtsträgern ist die frohe Botschaft durchgedrungen,
dass durch Auf und Abspaltungen, auf gut Deutsch auch Outsourcing genannt,
Einsparungen erreicht und die Wettbewerbsfähigkeit der Einrichtung
verbessert werden könnten. Beim Outsourcing werden Aufgabenbereiche
ausgegliedert, die nicht zum "Kerngeschäft" eines Unternehmens
gehören. Ziel des Outsourcing ist es, bestimmte Dienstleistungen
nicht mehr selbst zu erbringen, sondern auf ein anderes, schon bestehendes
oder noch zu gründendes Unternehmen zu übertragen, das die
geforderte Leistung wirtschaftlicher erbringen kann. Im kirchlichen
Bereich ist davon hauptsächlich der hauswirtschaftliche Bereich
betroffen, also die Raumpflege, die Küche, die Wäscherei,
Gärtnerei etc. Externe Dienstleistungsunternehmen scheinen billiger
und effizienter als die hauseigenen Abteilungen. Vergleicht man den
Stundenlohn einer Reinigungskraft im Rahmen eines geringfügigen
Beschäftigungsverhältnissen mit dem einer Reinigungskraft,
die nach den AVR Caritas bezahlt wird, dann scheint diese Schlussfolgerung
auf der Hand zu liegen. Aber wird auf diesem Weg nicht die Dienstgemeinschaft
ausverkauft?
Ausverkauf der Dienstgemeinschaft
Gegen diesen Einwand wird in der Regel ins Feld geführt, dass
die Hauswirtschaft, der ServiceBereich, nicht zum Kerngeschäft
des kirchlichen Dienstes gehöre. In den heutigen wirtschaftlich
schwierigen Zeiten müsse sich der kirchliche Dienst auf den Kernbereich
konzentrieren. Bei einer solchen Argumentation entscheidet aber eindeutig
nicht mehr die Theologie, was kirchliche Dienstgemeinschaft ist, sondern
der Markt. Frei nach dem Motto: Was marktgerecht ist, bleibt drin; was
zu teuer ist, fliegt raus!
Wer den Ausverkauf der kirchlichen Dienstgemeinschaft durch das Outsourcing
nicht sehen will, versteht die Brisanz des Vorgangs nicht. Nicht dass
und was ausgegründet wird, sondern wie und mit welchen Motiven
ausgegründet wird, gefährdet die kirchliche Dienstgemeinschaft.
Geht es doch nicht selten darum, aus den einzelvertraglich vereinbarten
kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien herauszukommen, einzig und allein
mit dem Ziel der Lohn und Einkommensabsenkung für die Ausgegliederten.
Freie Unternehmerentscheidung?
Ob Aufgabenbereiche ausgelagert werden sollen oder nicht, ist jedoch
eine Unternehmerentscheidung. Grundsätzlich gilt, dass der Unternehmer,
der das wirtschaftliche Risiko trägt, unternehmenspolitisch frei
entscheiden kann. Wo sind aber die Grenzen dieser Unternehmerfreiheit
erreicht und wer setzt diese Grenzen? Eine Rechtskontrolle durch die
Arbeitsgerichte kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Unternehmerentscheidungen
unterliegen jedoch einer gerichtlichen Missbrauchskontrolle. Ein Missbrauch
der Unternehmerfreiheit liegt zum Beispiel vor, so das BAG im zu entscheidenden
Fall, wenn die Ausgründung dazu genutzt werden soll, den Mitarbeitern
den Kündigungsschutz zu nehmen.
Der Fall für's BAG
Die Klägerin war seit 1998 als Haushaltshilfe in der von der Beklagten
betriebenen Rheumaklinik beschäftigt. Zur Kosteneinsparung beschloss
die Beklagte, einige Servicebereiche der Klinik, so u.a. die Reinigung
und die Küche zum 31.März 01 stillzulegen und allen dort beschäftigten
Arbeitnehmern zu kündigen. Spätestens zum 1. April 2001 sollten
sämtliche Dienstleistungen in diesen Bereichen auf eine noch zu
gründende ServiceGmbH übertragen werden. So geschah es dann
auch: Im März 2001 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis
mit der Klägerin und gründete die ServiceGmbH, an der die
Beklagte zu 51% beteiligt ist. Gesellschaftszweck der ServiceGmbH ist
allein die Erbringung von Dienstleistungen für die Beklagte. Die
ServiceGmbH erbringt ihre Leistungen namens und auf Rechnung der Beklagten.
Nach dem Gesellschaftsvertrag muss der Geschäftsführer der
ServiceGmbH sogar aus der Geschäftsleitung der Beklagten stammen.
Die Beklagte stellt außerdem alle zum Betrieb erforderlichen Räume
einschließlich Inventar und unterhält diese.
Fortdauernde Arbeitgeberstellung
Mit ihrer Kündigungsschutzklage macht die Klägerin die Sozialwidrigkeit
der Kündigung geltend. Die Beklagte habe ihre Arbeitgeberstellung
nicht aufgegeben. Als Mitgesellschafterin der Service GmbH habe sie
maßgeblichen Einfluss auf deren Geschäftsführung.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht
hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Revision der
Beklagten blieb erfolglos.
Fehlender betrieblicher Grund
Nach Feststellung des BAG ist die Kündigung sozialwidrig, weil
in der Auslagerung der Servicebereiche auf die ServiceGmbH im vorliegenden
Fall kein betrieblicher Grund vorgelegen habe, der die Kündigung
zwingend erforderlich macht. Zwar sei die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
einer Unternehmerentscheidung, durch die Arbeitsplätze wegfallen,
von den Arbeitsgerichten inhaltlich nicht zu überprüfen. Die
Entscheidung des Unternehmers unterliege jedoch einer schon verfassungsrechtlich
(Art 12 I GG) gebotenen Missbrauchskontrolle. Das heißt, die Arbeitsgerichte
müssen überprüfen, ob die Unternehmerentscheidung offensichtlich
unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Das hat das
BAG im vorliegenden Fall bejaht: Der Arbeitgeber, der durch die Bildung
einer unselbständigen ServiceGmbH seinen Betrieb in mehrere Teile
aufspaltet mit dem Ziel, den betroffenen Arbeitnehmern den Kündigungsschutz
zu nehmen und den nach wie vor bestehenden Beschäftigungsbedarf
mit von der unselbständigen ServiceGmbH neu einzustellenden Arbeitnehmern
zu decken, handelt rechtsmissbräuchlich.
(Vgl. dazu auch die Pressemitteilung des BAG 69/02, nachzulesen unter
www.bundesarbeitsgericht.de)
Neben der Frage der betriebsbedingten Kündigung, spielt beim Outsourcing
immer auch der Kündigungsschutz aus § 613a BGB eine Rolle:
Geht der abgespaltene Teil der Einrichtung nämlich auf einen anderen
Rechtsträger über, dann bestehen die Arbeitsverhältnisse
der Mitarbeiter fort und gehen auf den Erwerber gemäß §
613a BGB über. Eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs
scheidet in einem solchen Fall sowohl für den bisherigen Arbeitgeber
als auch für den Erwerber aus. Warum das BAG hier nicht auf §
613a BGB abstellt, geht aus der Pressemitteilung des BAG (die Entscheidung
im Volltext ist erst in den nächsten Monaten zu erwarten) nicht
hervor.
Wir werden darauf noch zurückkommen.
HC
Ausgliedern ist in. Auch DiözesanCaritasverbände
bleiben von dieser Sucht nicht verschont. Besonders beliebt derzeit:
"SeniorenServiceGesellschaften", in die mit Vorliebe "nicht
zum Kerngeschäft" gehörende Berufsgruppen eingegliedert
werden. Also z.Zt. hauswirtschaftliches und Reinigungspersonal. Die
sind ihres angeblich überhöhten AVRWertes wegen der Dienstgemeinschaft
für unwürdig befunden worden. Wen es wohl als nächste
Gruppe erwischt? Krankenschwestern? Ärzte?? Sozialpädagogen???
Die Markt-Denke macht vor keinem Beruf Halt. Wenn das so weitergeht,
sind am Ende nur noch die Caritasdirektoren in der Dienstgemeinschaft.
Dann ist die CaritasWelt endlich wieder in Ordnung. Oder?
wbf
Streit um die Zusatzversorgung
Neues Rundschreiben der Einrichtungsleitungen
Zum Jahreswechsel ist in vielen Einrichtungen wiederum ein an alle
Mitarbeiter/innen gerichtetes Informationsschreiben zur Zusatzversorgung
der KZVK angekommen, dieses Mal vom Dienstgeber und nicht von der Kasse.
Darin wird die Situation rund um den Systemwechsel aus Sicht des Dienstgebers
(aus der Feder der KZVK?) dargestellt. Mitarbeiter/innen werden aufgefordert,
den Empfang des Schreibens zu bestätigen.
Auch wenn man des Themas inzwischen schon fast überdrüssig
geworden ist: Was steckt hinter diesem Schreiben ? Hatte nicht die Kasse
schon im Sommer des letzten Jahres durch ihre Broschüren ausreichend
informiert?
Die Mitarbeiterseite in der AK geht davon aus, dass die Dienstgeber
sich mit dieser Aktion nochmals rechtlich gegenüber denjenigen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern absichern wollen, die keinen Widerspruch
gegen ihre Startgutschrift, respektive gegen die rechtliche Wirksamkeit
des Systemwechsels erhoben haben.
Dazu muss man sich noch einmal folgendes vergegenwärtigen: Ursprünglich
bestand aus den Arbeitsverhältnissen ein Rechtsanspruch jeder Mitarbeiterin/jedes
Mitarbeiters auf eine zusätzliche Altersversorgung im System der
Gesamtversorgung. Wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass der
Systemwechsel (aus welchen rechtlichen Gründen auch immer) unwirksam
sei, hätten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ungeachtet der Veränderungen
bei der Kasse, gegenüber ihrem Dienstgeber weiterhin einen Anspruch
auf Gesamtversorgung, ggf. als Verschaffungsanspruch, ggf. auch als
Aufstockungsanspruch gegenüber der (in sehr vielen Fällen)
schlechteren PunkteRente. Dieser Anspruch könnte aber nur gegen
den Dienstgeber und nicht gegen die Kasse geltend gemacht werden.
Wer Widerspruch gegen die Startgutschrift eingelegt hat und seinen Dienstgeber
zur Rechtswahrung eine Aufforderung zur Sicherung der bisherigen Ansprüche
geschickt hat (siehe Musterschreiben der AKMitarbeiterseite), dürfte
auf der sicheren Seite sein.
Wer das nicht getan hat, gerät spätestens 6 Monate nach Erhalt
dieses neuen Informationsbriefes des Dienstgebers in die Situation,
dass er nach § 23 ("Ausschlussfrist") des Allgemeinen
Teils der AVR keine Ansprüche aus der früheren Gesamtversorgung
mehr geltend machen kann, auch wenn der Systemwechsel sich nachträglich
in seinem "Ob" (Wechsel ist als solcher rechtsunwirksam) oder
seinem "Wie" (Besitzstand ist rechtlich nicht zutreffend dargestellt)
als unwirksam erweisen sollte.
Unser Rat:
Die Zeit läuft spätestens ab jetzt. Wer also noch etwas unternehmen
will, hat nur bis 6 Monate nach Erhalt des Schreibens dazu noch Gelegenheit.
WB