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AK-Magazin Nr. 14 - Juli 2000

 

BAT-Tarifübernahme 2000 und Streit um Härtefallklausel

AVR-Kommentar:
Geringverdiener: Chance vertan
"Modellprojekte
"
"Geriatriezulage" für Caritasaltenheime

Besser billig??
Zielkonflikt zwischen Billigstrategie und Qualitätsstrategie


 

BAT-Tarifübernahme gefährdet? Preis zu hoch?

Streit um Härtefallklausel

Ein Ritual scheint zu entstehen. Es geht um die wesentliche Frage, ob die Caritas für ihren Bereich den Tarifabschluß des öffentlichen Dienstes übernimmt - und unter welchen Voraussetzungen.

Die letzten beiden Jahre hatte man den Eindruck, als würde die Dienstgeberseite den Tarifabschluß im öffentlichen Dienst als Maximalforderung der Dienstnehmerseite betrachten, den es "nach unten" zu verhandeln gelte. "Kompensationen" für die Übernahme (also Verschlechterungen an anderer Stelle) war das Stichwort. Dazu kam es zwar nie, denn letztlich siegte die Vernunft und der Tarifabschluß wurde komplett ohne Abstriche eingetütet. Um den Tarifabschluß flankierend zu sichern, gab es allerdings eine Neuerung: Die sog. Öffnungs- oder Härtefallklauseln (HFK).

Deren Notwendigkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass sich etliche Einrichtungen im sozialen Bereich immer weniger auf eine problemlose Refinanzierung aus öffentlichen Kassen verlassen können, sondern um ihre finanzielle Existenz kämpfen müssen. Wenn der Bestand einer Einrichtung gerade mal knapp gesichert ist, wird jede Tariferhöhung zum unkalkulierbaren Risiko. Um dieses Risiko angemessen steuern zu können, bedarf es entsprechender Instrumente. Und damit es einigermaßen gerecht, transparent und nachvollziehbar dabei zugeht, hat man sich auf "tarifliche" Instrumente festgelegt.

An fehlender Transparenz und Nachvollziehbarkeit scheiterten nicht zuletzt die früheren "Kompensations"-Forderungen der DG-Seite. Denn die wären nur gerechtfertigt gewesen, wenn es flächendeckend allen Einrichtungen gleich schlecht gegangen wäre, jede Einrichtung also auf Kompensation ihrer Mehraufwendungen angewiesen gewesen wäre, um finanziell ausgeglichen zu bleiben. Von dieser Voraussetzung ist die Caritas damals wie heute weit entfernt. Eine "Kompensation" hätte daher nur für die wenigsten Einrichtungen die notwendige Entlastung gebracht. Die überwiegende Mehrzahl der Einrichtungen hätte durch die unnötige Kompensation nur Unfrieden in die Mitarbeiterschaft gebracht, da jegliche Akzeptanz gefehlt hätte.

Den gesamten Caritasbereich mit Einschränkungen zu belasten wäre dann eine sinnvolle Angelegenheit, wenn man sich endlich einmal zu einer solidarischen Gesamtlösung durchringen könnte. Entschlösse man sich beispielsweise zur Konzeption eines "Feuerwehrfonds" für existenzbedrohte Einrichtungen wäre z.B. der einheitliche Verzicht auf die Einmalzahlung eine durchaus diskutable Alternative. Es wäre z.B. eine Vereinbarung vorstellbar, dass die Mitarbeiterseite durch Verzicht auf die Einmalzahlung den Grundstock für einen Feuerwehrfond schafft, die Katholische Kirche sich verpflichtet, "paritätisch" den gleichen Betrag noch einmal draufzulegen, dann wäre schon einmal ein vernünftiges Startkapital von grob geschätzt 250 Mio. für einen solchen Fond vorhanden. Doch von solchen Überlegungen ist die Dienstgeberseite noch weit entfernt. Solidarität ist inzwischen auch in Caritaskreisen ein Fremdwort geworden, das ökonomisierte Denken hat allenfalls noch das Wohl der eigenen Einrichtung im Blick.

Kompensationen wie Solidarlösung sind damit erst einmal gestorben und kommen also für die bevorstehende Tarifrunde 2000 nicht in Betracht. Bleiben also nur noch Lösungen auf Betriebsebene übrig. Da läßt sich natürlich trefflich streiten, ob die Betriebspartner vor Ort für solche Vereinbarungen ausreichend kompetent sind. Ganz zu schweigen von der Frage, ob die kirchliche Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO) für solche betrieblichen Vereinbarungen überhaupt die geeignete Rechtsgrundlage hergibt.

Nicht von ungefähr nutzen die Gewerkschaften, wenn sie helfen, ähnlich gelagerte finanzielle Schieflagen von Betrieben per "Haustarif" zu sanieren, den Sachverstand der überbetrieblichen Kreis- oder Bezirksebene zum Abschluß entsprechender Tarifverträge. Die AK als bundesweit zuständige "Flächentarifkommission" ist jedoch mit der Ausarbeitung paßgenauer einzelbetrieblicher Lösungen überfordert.

Bleibt also mangels vorhandener regionaler Untergliederungen der AK nur das Instrument einer tariflichen Öffnungsklausel (ggf. mit freundlicher Beratung durch die zuständige DiAG oder das örtliche AK-Mitglied), so mangelhaft dieser Behelf in den Augen der Puristen auch erscheinen mag.
Die AK hat sich bereits an mehreren Typen von Öffnungsklauseln versucht. Die erste in Anlage 1/XVI zu den AVR hat vorwiegend Liquiditätsprobleme der Einrichtungen im Blick. Sie ermöglicht daher die Stundung von Gehaltsbestandteilen für einen bestimmten Zeitraum, läßt aber die Relation Arbeitszeit/ Geldwert unangetastet. Die - wie man hört - eher sporadische Anwendung dieser Öffnungsklausel macht deutlich, dass vorübergehende Liquiditätsengpässe der Einrichtungen relativ selten sind.

Die folgende Härtefallklausel in Anlage 1/XVII kam offenbar den Bedürfnissen eher entgegen, denn sie wurde gut hundert mal genutzt - ob zurecht, mag dahingestellt bleiben. (Offenbar mochten etliche Betriebspartner die eigentlich engen Voraussetzungen doch nicht so eng sehen). Diese Härtefallklausel ermöglichte den befristeten Verzicht auf eigentlich fällige Vergütungserhöhungen. Daher gibt es auf Mitarbeiterseite erhebliches und verständliches Unbehagen gegen diese "Lösung"; doch die Alternative vor Ort hieße im Ernstfall: Verlust der Tariferhöhung gegen Verlust des Arbeitsplatzes. Und vor dieser Alternative wird eine Härtefallklausel zum realistischen Ausweg. Trotz mannigfacher Bedenken auf Dienstnehmer- wie Dienstgeberseite scheint daher diese betriebs-(bzw. träger-) bezogene Lösung auf Kosten der Mitarbeiterschaft derzeit der wohl einzig mögliche Ausweg aus dem Dilemma zu sein.

Voraussetzung wäre allerdings, dass eine neuerliche HFK exakt festlegt, unter welchen Bedingungen, in welchem Umfang und für welche Zeit von genau beschriebenen tariflichen Bedingungen abgewichen werden darf. Ebenso wäre festzulegen, welche Überprüfungsmöglichkeiten einer MAV als Hilfsmittel zur Einschätzung der Lage zur Verfügung stehen. An diesen Vorgaben arbeitet derzeit ein Ausschuß der AK.

Die Dienstgeberseite hat jedoch angekündigt, dass sie der Übernahme des Tarifabschlusses 2000 nur im Paket mit einer entsprechenden Härtefallklausel zustimmen würde. Manche liebäugeln daher mit der Vorstellung, die Dienstgeberseite durch eine Verweigerungshaltung in Sachen HFK weichzukochen. Bliebe allerdings die Dienstgeberseite bei ihrem Junktim und die Mitarbeiterseite bei ihrem "Nein" zur HFK, hieße das, um eines puren Kräftemessens oder eines hehren Prinzips willen die Tariferhöhung für eine halbe Million Kolleginnen und Kollegen aufs Spiel zu setzen. (Ob der angedrohte Verzicht der Mitarbeiterseite auf eine Tariferhöhung tatsächlich eine scharfe Waffe gegen eine Härtefallklausel ist, müsste erst noch bewiesen werden).

Ganz abgesehen davon würde man durch diesen Tarifverzicht auch den Kolleginnen und Kollegen in den neuen Bundesländern den Anpassungsschritt von 86,5 auf 90% der Westvergütungen vorenthalten. Auf beiden Seiten der AK besteht nämlich Einvernehmen darüber, dass die neben der Tariferhöhung fälligen Anpassungsschritte von einer erneuten HFK nicht erfaßt würden, also selbst bei Anwendung einer HFK vollzogen würden. Falls sich also wie zu erwarten eine Tarifübernahme ohne Wenn und Aber nicht verwirklichen läßt, steht die Mitarbeiterseite in der AK vor der Alternative: Entweder gibt es die Tarifübernahme für alle mit HFK für einige wenige, oder es gibt zwar keine HFK, aber auch keine Tarifübernahme für alle.

Fassen wir zusammen: Solange die wirtschaftliche Situation zur Folge hat, dass existenzbedrohende Schieflagen einzelner Einrichtungen und deren Insolvenz samt Verlust von Arbeitsplätzen nicht auszuschließen sind, und solange keine überbetriebliche Solidarlösung in Sicht ist, ist die Anwendung einer eng gefaßten und laufzeitbegrenzten HFK noch das kleinste der möglichen Übel.

Denn es dürfte angemessener sein, eine gewählte MAV, selbst wenn sie sich noch so schlecht beraten lassen kann, mit den finanziellen Problemen einer Einrichtung und deren Lösung zu befassen, als einzelvertraglich jede/n einzelne/n Mitarbeiter/in diesem Druck auszusetzen. Eine Patentlösung gibt es nicht, Wunschdenken hilft auch nicht weiter. Was bleibt, ist die Einsicht: Wir brauchen beides, um zum Erhalt von Arbeitsplätzen vor Ort sachgerecht handeln zu können:

Den Tarifabschluß und die Härtefallklausel.

- -wbf-

 


Der AVR-Kommentar:

Aktuelles zu den Themen Geringfügig Beschäftigte "Modellprojekte" "Geriatriezulage"

Geringfügig Beschäftigte: Chance vertan! Der Europäische Gerichtshof (EuGH) und mehrere nationale Gerichte haben den Ausschluss geringfügig beschäftigter Arbeitnehmer/innen von tariflichen Leistungen als diskriminierend und damit als unwirksam bezeichnet, wenn davon mehr Frauen als Männer betroffen sind. In dem Verfahren vor dem EuGH bejahte der Gerichtshof die Frage, ob eine Krankenschwester Anspruch auf Weihnachtsgeld hat, obwohl für geringfügig Beschäftigte nach dem Wortlaut des BAT die Vorschriften über die Zahlung des Weihnachtsgeldes nicht gelten.

Diese Entscheidung ist grundsätzlicher Art und von allen Anwendern der AVR zu beachten.

Zwar schließen die AVR geringfügig Beschäftigte aus ihrem Geltungsbereich nicht aus, sie eröffnen jedoch in § 3 der Anlage 18 die Möglichkeit, "von den Regelungen über die Gewährung von Zulagen, Zeitzuschlägen und Weihnachtszuwendungen einzelvertraglich" abzuweichen. Ferner kann eine geringere Vergütung vereinbart werden. Alle diese Bestimmungen sind wegen des Benachteiligungsverbotes, das in Art. 119 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) verankert ist, unwirksam.

Das Verbot erstreckt sich auf Tarifverträge und kirchliche Arbeitsvertragsordnungen. Es gilt ebenso für alle Verträge zwischen Privatpersonen. Das Verbot erfasst somit die Anlage 18 AVR, unabhängig davon, ob der Text geändert wird oder nicht.

Man hätte nun erwarten können, dass Caritasverbände und andere Verbände wie beispielsweise die Deutsche Krankenhausgesellschaft oder die Vereinigung kommunaler Arbeitgeber dazu aufrufen, die Konsequenzen aus der Gerichtsentscheidung zu ziehen. Werden doch Leistungen, die den Mitarbeiterinnen tariflich zustehen, von den Sozialversicherungsträgern fiktiv als Einnahmen angesehen. Diese tariflichen Ansprüche führen zur vollen Sozialversicherungspflicht, wenn die gesetzlich vorgesehenen Grenzen (z. B. 630,-- DM) überschritten sind. Das gilt unabhängig davon, ob die in Anwendung der Anlage 18 vorenthaltenen Beträge an die Mitarbeiterinnen ausgezahlt worden sind oder nicht.

Für die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge sind allein die Dienstgeber verantwortlich, auch für die Vergangenheit. Ihnen drohen nicht unerhebliche Nachzahlungen an die Sozialversicherungskassen.

Aus Sorge, die diskriminierenden Bestimmungen der Anlage 18 könnten in Caritaseinrichtungen für (noch) gültig gehalten werden, hatte die Mitarbeiterseite beantragt, in der Junisitzung 2000 die nichtigen Passagen der Anlage 18 zu streichen. Doch die Dienstgeberseite hält sich vornehm zurück ("Wir sind nicht beweglich, weil wir keine Mehrheiten bekommen, wir müssen noch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes abwarten"). Sie hält die Zeit des Handelns für nicht gekommen. Damit befindet sie sich - leider - in Übereinstimmung mit den Tarifvertragsparteien des Öffentlichen Dienstes, die ihrerseits der Entscheidung des EuGH bisher nicht nachgekommen sind. Tarifrechtliche Bestimmungen sollten eigentlich den Zweck verfolgen, Rechtssicherheit für alle Beteiligten herbeizuführen. Daß diese Zielsetzung bisweilen gröblich vernachlässigt wird, läßt sich an der Verweigerungshaltung der Dienstgeberseite ablesen. Natürlich ist die AK souverän, darüber zu entscheiden, wie der Text der Anlage 18 aussehen soll. Zur tariflichen Redlichkeit gehört aber, die betroffenen Dienstgeber und Mitarbeiter/innen mit einer veränderten Rechtslage nicht allein zu lassen, sondern durch die AVR-Textgestaltung auf diese veränderte Rechtslage hinzuweisen.

Hätte doch wenigstens die AK die vom Europäischen Gerichtshof geschaffene Situation als Chance begriffen, die AVR den aktuellen Erfordernissen einer modernen Dienstleistungsbranche anzupassen (vgl. Hock, ZTR 2000, S. 154). Die AVR modernisieren heißt auch, gleichen Lohn für gleiche Arbeit für Männer und Frauen zu gewährleisten. Statt dessen werden durch die Verweigerungshaltung der Dienstgeber die Illusionen derer gestärkt, die die erforderlichen Reformen allein in Vergütungsabsenkungen sehen. Wollen die vermeintlichen Reformer in der AK wirklich abwarten, bis sie von der Rechtsprechung vorgeführt und zur Anpassung gezwungen werden? Die Bayerische Regional-KODA zeigte sich da fortschrittlicher; sie hat Konsequenzen aus dem Urteil gezogen.

Die Mitarbeitervertretungen vor Ort werden nach eigener Abwägung und in eigener Verantwortung entscheiden, ob sie Einstellungen nach Anlage 18 ebenso zustimmen wie etwaigen einzelvertraglich vereinbarten Vergütungsabsenkungen. Auf den in der ZMV veröffentlichten, unten zitierten Schlichtungsspruch wird verwiesen.

 

Modellprojekte:

In den vergangenen Jahren wurden die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) insbesondere von Krankenhausträgern wegen ihres Inhalts und ihrer angeblichen Kompliziertheit heftig kritisiert. Man forderte, das Tarifwerk grundlegend umzugestalten und dadurch dessen Kosten zu senken. Anlass hierfür waren der zunehmende Wettbewerb im Gesundheitswesen und Begrenzungen der Budgets, die manche Einrichtungen in finanzielle Schwierigkeiten brachten. Diese Schwierigkeiten seien zu lösen, hieß es, wenn beispielsweise

  • die Mitarbeiter/innen Gehaltsverzichte leisteten,
  • die AVR als Flächentarif abgeschafft und vor Ort ausgehandelt werden könnten,
  • Bewährungsaufstiege und Altersstufensteigerungen vermieden und statt dessen Leistungsprämien gezahlt würden,
  • auf die Leistungen zur Familienförderung (Verheiratetenzuschlag, Kinderzuschläge) verzichtet werde, weil die Sache des Staates seien, nicht Aufgabe des Arbeitgebers.

Die AK hat diese Kritik aufgegriffen. Durch Beschluss vom 17. Dezember 1998 wurde den Anwendern der AVR in Anlage 19 ein weites Experimentierfeld eröffnet. Unter Berufung auf diesen Beschluss kann ein Dienstgeber (mit Zustimmung seiner MAV und der Arbeitsrechtlichen Kommission) unter bestimmten Voraussetzungen von sämtlichen vergütungsrelevanten Vorschriften im Rahmen eines befristeten Modellprojektes abweichen. Ziel muss sein, die veränderten Vergütungsstrukturen zur Sicherung der Arbeitsplätze zu erproben.

Hiermit ist nicht gemeint, es kämen nur Vergütungsabsenkungen in Betracht. Das ergibt sich aus dem Hinweis, Besitzstände seien zu klären. Modernisierung der AVR kann nicht bedeuten, kirchliche Mitarbeiter den Folgen auszusetzen, die Globalisierung für manch anderen nach sich zieht. Die Forderung nach Billigtarifen für Leistungen, die "außerhalb unserer Einrichtungen" preiswerter zu bekommen sind, offenbart neoliberales Gedankengut. Derartiges ist der von den Bischöfen erlassenen Grundordnung für kirchliche Arbeitsverhältnisse fremd. Wenn die Kirche für sich in Anspruch nimmt, ihren eigenen tarifrechtlichen und arbeitsrechtlichen Weg zu gehen, soll damit auch den eigenen Wertvorstellungen gefolgt werden. Mit den Grundprinzipien der katholischen Soziallehre (Gerechter Lohn!) ist schrankenloser Marktmechanismus nicht zu vereinbaren.

Ähnlich sieht es für ihren Bereich die gemeinsame Schlichtungsstelle der Bremischen Evangelischen Kirche, wenn sie die Eingruppierung in drastisch abgesenkte "W-Gruppen" als Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz geißelt (ZMV 2000,127).

Bis April 2000 erhielt die AK einen einzigen Modellvorschlag. Er sah vor, die Ausbildungsvergütungen neu eingestellter Krankenpflegeschüler/innen auf 80 Prozent des tariflichen Entgelts abzusenken, um so die Zahl der Ausbildungsplätze auf dem bisherigen Niveau halten zu können. Als sich abzeichnete, dass der Antrag keine Mehrheit finden werde, wurde er zurückgezogen. Vorher waren alle Versuche gescheitert, der Dienstgeberseite in der AK eine Übernahmegarantie für diese "Vier-Fünftel-Azubis" abzuringen. Ursächlich für das Scheitern des Antrags dürften Phantasie- und Kreativlosigkeit der antragstellenden Dienstgeberseite gewesen sein. Und auf Mitarbeiterseite wollte sich auch kein Mitglied der AK nachsagen lassen, es habe Personen überwiegend weiblichen Geschlechts durch einen AK-Beschluss diskriminiert, diskriminiert nämlich dadurch, dass das Salär einiger Azubis gegenüber anderen geschmälert wird, ohne hierfür eine angemessene Gegenleistung in Form eines sichereren Arbeitsplatzes vorzusehen. Es ist nicht bekannt, ob die Krankenpflegeausbildung im Haus der Antragsteller (im Vertrauen auf green cards?) wie angedroht eingestellt wurde oder wird.

Es bleibt festzustellen, dass der behauptete Reformbedarf der AVR trotz der umfassenden Gestaltungsmöglichkeiten, die durch die Experimentierklausel eröffnet werden, für die AK bis zum Frühjahr 2000 nicht erkennbar wurde. Sind die AVR vielleicht besser als ihr Ruf? Oder steckt der Teufel just in den Details, die modellreformiert werden sollen?

Inzwischen ist der Ausschuss "Modellprojekte" erneut besetzt und einberufen worden, um ein auf Qualitätssicherung zielendes Leistungslohnprojekt in vorausschauendem Sinne zu begutachten. Durch Verzicht aller Mitarbeiter/-innen auf

  • Zahlung der allgemeinen Zulagen nach Anlage 10,
  • auf Bewährungs- und Zeitaufstiege,
  • auf Altersstufensteigerungen
  • und auf die Hälfte der jährlichen Tarifanpassung

sollen ein Leistungstopf gefüllt und aus diesem Leistungsprämien an die Mitarbeiter/innen ausgeschüttet werden.

Die Höhe der Prämien soll sich am Ergebnis der Einrichtung, am Ergebnis der jeweiligen Arbeitsteams und an individuellen Kriterien orientieren. Einzelheiten werden noch erarbeitet. Dabei scheinen die Antragsteller von der (zutreffenden) Einschätzung auszugehen, dass Mitarbeiter /innen nur dann für neue Strukturen zu gewinnen sind, wenn sie persönlich keine aktuellen Einbußen hinnehmen müssen. Möge den Verantwortlichen die weitere Erkenntnis nicht verschlossen bleiben, dass Leistungsprämien in Geld allenfalls einen kleinen Beitrag darstellen, die allgemeine Motivation zu bessern. Fallen auch Ihnen viele andere Vorschläge dazu ein?

 

Geriatriezulage muss in Caritaseinrichtungen weiter gezahlt werden

Durch Urteil vom 15. Dezember hat das Bundesarbeitsgericht (ZTR 2000, 270) entschieden, eine (die Geriatriezulage auslösende) Grund- und Behandlungspflege bei Kranken in geriatrischen Abteilungen oder Stationen von Altersheimen liege nur dann vor, wenn die überwiegende Anzahl der Bewohner dieser Abteilungen oder Stationen wegen einer Krankheit der Krankenpflege bedürfe - gegebenenfalls neben einer wegen Alters oder Gebrechlichkeit notwendigen Altenpflege.

Mit dieser Begründung wurde der Fall an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen mit dem Hinweis, das Gericht habe zu prüfen, ob die überwiegende Zahl der Altenheimbewohner in regelmäßiger ärztlicher Behandlung stehe.

Nach den AVR wird die Zulage an Pflegepersonen gezahlt, die die Grund- oder Behandlungspflege zeitlich überwiegend bei pflegebedürftigen Personen in Einrichtungen der Altenhilfe ausüben. Diese Begriffswahl läßt es nicht zu, die oben zitierte Gerichtsentscheidung auf die AVR zu übertragen, also gilt:

Keine Streichung der Geriatriezulage in Caritaseinrichtungen!

Anlage 2a zu den AVR einschließlich der die Zulage regelnden Anmerkung 1c) wurden durch Beschluss der Arbeitsrechtlichen Kommission vom 29. August 1989 neu gefasst. Um zu vermeiden, dass Caritasdienstgeber unter Berufung auf obiges Urteil die Geriatriezulage streichen, zitieren wir wörtlich aus der Niederschrift der Kommissionssitzung:

1 ... regelt die sogenannte Pflegezulage ... Sie entspricht bis auf eine Ausnahme auch dem BAT. Der Geschäftsführer stellt deutlich heraus, dass sich im BAT-Bereich diese Anmerkung nur auf die Mitarbeiter beziehe, die dem Abschnitt A der Sonderregelung 1b des BAT unterfallen. Damit sei der Mitarbeiterkreis betroffen, der unter die Sonderregelung 2a (Anlage 2a) fällt. Diese gelte aber nur für Einrichtungen, in denen die betreuten Personen in ärztlicher Behandlung stehen. Damit könne aber bestritten werden (siehe obiges Urteil)ob diese Regelung auch für den Altenpflegebereich gelte. Ein Großteil der Betreuten werde aber lediglich durch Hausbesuche eines niedergelassenen Arztes betreut. Die Unterbringung in der Einrichtung werde in der Regel nicht im Rahmen einer Krankenhausbehandlung erfolgen.

Die Arbeitsrechtliche Kommission ist jedoch übereinstimmend der Auffassung, dass eine derartige Differenzierung nicht sachgerecht und angemessen wäre. Gerade in der Altenpflege sei der Übergang von der Pflege alter Menschen zur Pflege alter und kranker Menschen fließend. Die Pflege siecher Menschen müsse als ebenso anstrengend und schwer eingeschätzt werden wie die Pflege Kranker. Ein Unterschied zwischen der Versorgung eines Pflegefalls im Verlauf einer Krankheit oder dem aufgrund von Altersschwäche sei nicht auszumachen. Daher sei es nicht tragbar, bei der Gewährung der Pflegezulage (Geriatriezulage) eine Unterscheidung wie im BAT zu treffen. Folge man dieser Differenzierung, so ergäben sich zusätzliche Schwierigkeiten aus der schwankenden Belegung einer Einrichtung mit unter ärztlicher Betreuung stehenden Personen. Die Zulage könnte immer nur dann gezahlt werden, wenn in einem Haus überwiegend Personen untergebracht sind, die in ärztlicher Betreuung stehen (siehe oben!)

Der Geschäftsführer weist ausdrücklich darauf hin, dass der Buchstabe c) von der BAT-Regelung abweiche. Die Protokollnotiz Nr. 1 des BAT sehe die hier vorgeschlagene Einbeziehung der Pflege von "Personen in Pflegebereichen in Einrichtungen der Altenhilfe" nicht vor. Hier handele es sich aber um eine Abweichung zum BAT, die auch bisher bestanden habe.... Die Kommission spricht sich in einer Trendabstimmung einhellig für die Beibehaltung dieser Abweichung und damit für die Einbeziehung des o.g. Personenkreises aus. Andernfalls müsse eine Differenzierung getroffen werden zwischen alten und kranken Pflegebedürftigen im Altenheim. Die Übergänge von Altersschwäche zu Krankheit seien aber fließend. Die Pflege eines aus Altersschwäche pflegebedürftigen Menschen sei zudem in der Regel ebenso schwer wie die eines kranken alten Menschen."

(Man einigt sich im Wortlaut auf die geltende Fassung der Anmerkung 1c.)

-vFü-


 

Besser billig??

Die Caritas muss sich dem Markt stellen, sie muss ihre Leistungen unter Marktbedingungen erbringen. So lautet die Erkenntnis aus den veränderten Refinanzierungssystemen. Scheinbar folgerichtig wird aus Finanzierungsproblemen, die ihre Ursache in gestiegenem Konkurrenzdruck haben, die Forderung abgeleitet, die Arbeitsvertragsrichtlinien müßten Billigtarife bereitstellen. Denn es dürfe nicht sein, dass Leistungen außerhalb unserer Einrichtungen wegen kostengünstigerer Tarife zu einem niedrigeren Entgelt zu haben seien. Vielmehr müsse es möglich sein, unsere Leistungen zu vergleichbaren Konditionen wie die Konkurrenz anzubieten.

Mit der Forderung nach Billigtarifen werden preisorientierte Marktstrategien favorisiert. Es soll versucht werden, über aggressive Preisgestaltung Kostenminderungen herbeizuführen oder im Wege von Sonderangeboten mit Mitbewerbern mithalten zu können. Caritasprofilierung soll also über den günstigen Preis erfolgen. Wer diese Strategien verfolgt, wird sich bewusst sein, dass eine Dumping-Spirale droht, wenn die Konkurrenz in gleicher Weise reagiert. Letztlich wird der Caritaskunde für reduzierte Kostenfaktoren einen immer schlechteren Gegenwert erhalten, der Hilfesuchende wird notversorgt.

Dieses Ergebnis karitativen Sozialmarketings kann und wird niemand billigen oder gar wünschen. Um es zu vermeiden, muss die gewählte Preisstrategie in Frage gestellt werden. Kann karitative Dienstleistung als Sonderangebot begriffen werden? Zu Recht wird seit einigen Jahren in unseren Einrichtungen ein wissenschaftlich fundiertes Qualitätsmanagement praktiziert, zu Recht wird Qualitätsführerschaft eingefordert, Qualitätsführerschaft, die sich durch Service- und Produktqualität profiliert.

Nun wäre es wohl vermessen, überall Marktführer sein zu wollen. Auf Teilmärkten sollte die Qualitätsführerschaft aber möglich sein. Qualitätsführerschaft und Preisführerschaft können nach allgemeinen Marketinggrundsätzen nicht miteinander verknüpft werden. Es kann in der Regel nur eine Grundrichtung verfolgt werden. Entscheiden wir uns für Qualität, ist für Billigtarife kein Raum. Gleichwohl enthält die Entscheidung für Qualität einen Aspekt, der tariflich unterstützt werden kann und sollte: Qualitativ hochwertige Arbeitsprozesse müssen initiiert und deren Umsetzung am Arbeitsplatz gefördert werden. Das ist besser als billig.

Anstelle von dauerhaften Billigtarifen für die AVR hat die Mitarbeiterseite vorgeschlagen, Heranführungs- oder Qualifizierungstarife zu diskutieren. Die könnten z.B. für eine begrenzte Zeit angewendet werden, um schwer vermittelbare Personen (z.B. Langzeitarbeitslose) wieder an Dauerarbeitsverhältnisse heranzuführen, oder auch um Nichtqualifizierte für die Zeit einer Qualifizierung angemessen zu vergüten.

Die Reaktion der Dienstgeberseite war eindeutig: Das wolle man gar nicht. Man wolle die auf Dauer abgesenkten Tarife - sonst, so die unverhohlene Drohung, - würden ganze Brereiche outgesourct, und dann würde noch viel mehr abgesenkt. Nanu? Lohn- oder gar Gesetzdumping als wahrer Arbeitnehmerschutz? Weg mit allem, was Einstellungen, Schaffung und Erhalt von Arbeitsplätzen angeblich behindert?

Logisch fortgesetzt hieße das: Weg mit den AVR, weg mit dem Mutterschutz, weg mit dem Kündigungsschutz, weg mit dem Behindertenschutz - wenn man sie leicht wieder los wird, werden diese Leute auch leichter eingestellt.

Ultragiganeoliberales Arbeitsrecht - und das für die Caritas???

 

vFü/wbf