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AK-Magazin Nr. 11 - April 1999

Nach der BAT-Blockade in Mainz:

Wie weiter auf dem 3. Weg?

Anstatt AVR- Kommentar: Neues aus Recht und Gesetz

 

Was in Mainz passierte, haben Sie sicher inzwischen dem AK-Info oder dem BAG-MAV-Info Nr. 37 entnommen. Wenn nicht, dann finden Sie hier eine Zusammenfassung:

Der 29. März 99

Die Dienstgeberseite hatte zur Sitzung der Arbeitsrechtlichen Kommission am 29.3.99 in Mainz eine "abgespeckte" Version des im Öffentlichen Dienst ausgehandelten Vergütungstarifvertrages vorgelegt: Zwar sollten danach die Vergütungen generell um 3,1% angehoben werden, es fehlten jedoch bei diesem Angebot die im Öffentlichen Dienst für die Monate Januar bis März vereinbarten Einmalzahlungen für die Tarifbereiche West und Ost, ferner die Vergütungsanhebung für den gesamten Ausbildungsbereich.
Außerdem war für den Tarifbereich Ost eine Verschiebung der Vergütungserhöhung vorgesehen. Die jeweils niedrigsten Vergütungsgruppen sollten zum 1.4., die restlichen zum 1.8.99 angehoben werden.

Die Dienstnehmerseite hat dieses Angebot abgelehnt und ihrerseits die Übernahme des unveränderten BAT-Kompromisses beantragt. Keiner der beiden Anträge fand die erforderliche 3/4-Mehrheit. Ergebnis: Ein klassisches Patt - es gelten bis auf weiteres die bisherigen Vergütungstabellen. Soweit die Fakten.

Da wundern sich jetzt so manche Caritas-MitarbeiterInnen warum man denn nicht wenigstens mit den angebotenen 3,1% den fetten Spatz in die Hand genommen habe, wenn doch die nicht viel üppigere Taube auf dem Dach unerreichbar war.

Hinter dieser einfachen Frage stecken komplizierte Überlegungen. Wir wollen versuchen, sie verständlich darzustellen.

 

Das Geheimnis des Dritten Weges

Das kollektive Arbeitsrecht des Dritten Weges entsteht durch Konsensfindung zweier paritätisch besetzter Gruppen, der Arbeitnehmer- und der Arbeitgeberseite. Machtmittel zur Durchsetzung irgendeiner Forderung stehen keiner der beiden Seite zur Verfügung; solange nichts Neues vereinbart wird, gilt Altes weiter. In Anbetracht dieser Ausgangssituation galt bislang das ungeschriebene Gesetz, sich an die Vereinbarungen "tarifmächtiger" Koalitionspartner anzulehnen. Deren Kompromisse in Tariffragen jedweder Art (z.B Arbeitszeit, Urlaub, Vergütung etc.) galten als gerecht, ausgewogen undden Interessen beider Seiten angemessen. So wurde Streit in den eigenen Reihen vermieden, wurden Streik und Aussperrung zurecht als Kampfmittel ausgeklammert. Als Maßstab einigte man sich in parteienübergreifender Vernunft auf die Verhandlungsergebnisse und -kompromisse der Tarifparteien des öffentlichen Dienstes (Bund/Länder oder Kommunen), die gemeinhin unter dem Kürzel BAT ("Bundes-Angestellten-Tarif") firmieren.

 

Vergleichbarkeit

Der Grund dafür: Wohlfahrtsverbände und Kommunen unterhalten in der Regel vergleichbare Einrichtungsarten (z.B. Alten- und Pflegeheime, Krankenhäuser, Beratungsstellen u.a.) mit gleichen Beschäftigtengruppen (Krankenschwestern und -pfleger, Sozialpädagoginnen usw.) Es lag daher nahe, gleiche Berufsgruppen mit vergleichbarer Tätigkeit dem öffentlichen Dienst vergleichbar zu bezahlen, um beim Werben um qualifiziertes Personal mithalten zu können. Nicht von ungefähr findet sich bisheute in den Stellenanzeigen caritativer Einrichtungen in den großen überregionalen Blättern der Hinweis: "Bezahlung nach AVR (vergleichbar BAT)". Was im öffentlichen Dienst (notfalls durch einen Streik der Müllwerker) erstritten und erkämpft wurde, fand ganz selbstverständlich seinen Niederschlag im caritativen AK-Tarifwerk AVR und in den vergleichbaren KODA-Tarifwerken.

Das wurde im Caritasbereich über 20 Jahre so gehalten. Und das war gut so. Denn auf harte Auseinandersetzungen um Geld ist der Dritte Weg überhaupt nicht eingerichtet. So gab es in den letzten zwanzig Jahren zwar im Detail manche Abweichung von BAT-Vereinbarungen, aber noch nie Abweichungen im zentralen Vergütungsbereich, also der Relation Arbeitszeit/ Geldwert.

Wenn zentralere Themen abweichend vom BAT geregelt wurden, fand man Mittel, für künftige Änderungen freie Hand zu haben. So wurden die "Öffnungsklauseln" zu Notlagen und Mobilzeit mit einer Art "Selbstauflösung" ausgestattet. Sie sind befristet und enden automatisch ohne Nachwirkung zum festgesetzten Termin, wenn sie nicht vorher verlängert werden. Das schafft Raum zur Diskussion und Anpassung an eventuell bis dahin vereinbarte (bessere?) BAT-Lösungen.

 

Tabu-Bruch

In Zeiten knapperer Mittel jedoch konnte die Dienstgeberseite der Versuchung nicht widerstehen, mit neuen Spielregeln aus dem knallharten Tarifgeschäft in die bislang so friedliche Idylle des Dritten Weges einzubrechen: Sie brach erstmals in der Geschichte des Dritten Weges - ob mit ob ohne Not, sei dahingestellt - das Tabu der Unveränderbarkeit der BAT-Vergütungsvereinbarungen (Mal sehen, ob sie damit nicht einbricht).

Schon in der Tarifrunde 98 erscholl der Ruf nach "Kompensationen" für eine Übernahme der BAT-Vereinbarungen. Die Dienstnehmerseite wies seinerzeit dieses Ansinnen schroff zurück und verwies darauf, „daß mit den bereits beschlossenen "Öffnungsklauseln" allen Eventualitäten Rechnung getragen sei. Einrichtungen, denen die Tarifübernahme an die Existenz gehe, könnten von den Notöffnungsklauseln Gebrauch machen und ihre finanzielle Last zeitweise mindern. Es bestehe daher absolut kein Grund, die Tarifübernahme für alle Einrichtungen prophylaktisch zu verzögern oder abzusenken.

Außerdem gebe es keinen irgendwie gearteten Finanzausgleich, so daß die Ersparnisse der einen dem dringenden Finanzbedarf der anderen gar nicht zugute kämen. Gleichwohl hielten die Arbeitgeber bis zur Oktobersitzung 98 die Illusion aufrecht, es gäbe einen Verhandlungsspielraum und den könnten sie ausreizen. Die Dienstnehmer blieben hart - und das mit Erfolg: Der Tarifabschluß wurde komplett übernommen; auf Bitten der Dienstgeber ohne Diskussion, denn die wäre dann doch zu peinlich geworden.

 

Gelernt aus 1998?

Wer gehofft hatte, die Dienstgeber hätten aus den 98er-Erfahrungen gelernt, sah sich im März 1999 enttäuscht. Nach der raschen Einigung im Öffentlichen Dienst wäre genügend Zeit gewesen, zu Absprachen zu kommen und das Paket möglichst rasch zu übernehmen.

Doch stattdessen gab man offensichtlich die Parole aus: Rache für die Schmach von 98! Als Begründung schob man zwei Bereiche vor, deren problematische Finanzierungbekannt und anerkanntermassen ungelöst ist: Den Krankenhausbereich mit seinen gedeckelten Budgets und den Tarifbereich Ost mit seiner schleppenden Produktivitätsentwicklung.

 

Neue Taktik - altes Ergebnis?

Um nicht wieder um Kompensationen feilschen zu müssen wie das letzte Mal, bauten die Arbeitgeber diese diesmal gleich von vorneherein in das "Angebot" ein:

  • Wegfall der Einmalzahlung für die Tarifbereiche West und Ost,
  • Verschiebung des Erhöhungstermins für den Bereich der Diözesen in den neuen
  • Bundesländern auf 1. August 99,
  • Ausklammerung des gesamten Ausbildungsbereichs von der Tariferhöhung.

(Letzteres ein besonders eleganter Zug, kam man doch so dem erklärten Ziel einer großzügigen Absenkung der Ausbildungsvergütungen gleich um über drei Prozent näher).

In wohlgesetzten Worten machte der Sprecher der Dienstgeber mehrfach darauf aufmerksam, daß es außer diesem Angebot nichts mehr gäbe; und wenn sowohl das Arbeitgeberangebot wie die Arbeitsnehmerforderung nach 1:1-Übernahme keine Mehrheit bekämen, sei die Tarifrunde für 1999 gelaufen. Sollte man mit dieser Taktik auf einige wankelmütige Seelen gehofft haben, so verfing sie jedenfalls nicht.

 

Tarifmächtigkeit-Tariffähigkeit

Denn die Dienstnehmerseite machte in der Diskussion erneut klar, daß der Dritte Weg zu einer selbstverantwortlichen Tariffindung nicht geeignet und nicht vorgesehen sei. Man sei auf Dienstnehmerseite "nicht tariffähig und nicht tarifmächtig", weil man keinerlei Mittel und Möglichkeiten habe, Arbeitgeber mit eigenen Forderungen unter Druck zu setzen. Tariffähigkeit und Tarifmächtigkeit würden im Dritten Weg bedeuten: Beide Seiten sind in der Lage, frei auf dem Markt den Wert von Arbeit auszuhandeln, abhängig nur von Angebot und Nachfrage. Und ausgestattet mit "Droh- und Durchsetzungspotential", nämlich Streikfähigkeit auf der einen und Aussperrwilligkeit auf er anderen Seite. Doch diese Voraussetzungen auf beiden Seiten sind nicht gegeben. Weder gibt es auf Dienstnehmerseite ein basisgestütztes Konsultationssystem, das eine Vorgabe für die Höhe der "Tarifforderungen" produzieren könnte, noch ist die Streikmöglichkeit gegeben, um notfalls einen über BAT-Niveau liegenden Abschlußerzwingen zu können, denn Streik schließt die "Grundordnung" aus. Folglich bleibt nur die Übernahme des BAT-Kompromisses.

Doch auch den Dienstgebern mangelt es an Freiheit, sich ungehindert auf dem Markt der Möglichkeiten zu bewegen, Auch sie verfügen über kein Informationssystem, das ein realistisches "Angebot" entwickeln und transportieren könnte. Erst recht nicht sind sie in der Lage, aus freien Stücken über einen BAT-Abschluß hinauszugehen. Und auch Ihnen versagt die "Grundordnung" die Möglichkeit der Aussperrung. Daher bleibt für die Dienstgeberseite eigentlich auch nur der BAT-Kompromiß als einzig vernünftige Lösung übrig.

Wie sich die Dienstgeber die neuen Tarifspielregeln vorstellen, machten sie auch gleich deutlich: Wir bestimmen, wo es lang geht, und die deathline ist: Deutlich unter BAT-Niveau! Also höchstens BAT minus X, eher minus XL oder gleich minus XXL! Wo's lang geht, bestimmen wir!

Da verfing auch kein gutgemeinter Appel des Sitzungspräsidenten, man solle sich doch auf einen "Kompromiß" zubewegen. Prompt reklamierte die Dienstnehmerseite ein "Theoriedefizit": Nach ihrer Auffassung ist im Dritten Weg ein im Öffentlichen Dienst ausgehandelter Vergütungs-Kompromiß nicht mehr verhandelbar und schon gar nicht durch einen schlechteren ersetzbar. Ein weiteres Mal zeigte sich die Dienstnehmerseite in der Abstimmung geschlossen wie selten:

Alle Mitglieder stimmten für die 1:1-Übernahme, und gleichfalls alle stimmten gegen dasArbeitgeberangebot.

 

Beginn einer Abkoppelung?

Die Dienstgeberseite dagegen machte deutlich, daß sie mit aller Macht die Abkoppelung vom Vergütungssystem des Öffentlichen Dienstes erzwingen will; allerdings nicht durch behutsame Reform nach langer und gründlicher Diskussion, sondern im hemdsärmeligen Hauruckverfahren anläßlich einer Tarifrunde. Es könnte sein, daß sich die Dienstgeber auch diesmal verspekuliert haben. Denn noch gibt es das Phantom der "Einheit des kirchlichen Arbeitsrechtes", wenn auch bislang nur im gemeinsamen Willen, den BAT zum Maß aller Dinge zu machen.. Die ersten Bistums-KODAen haben die Übernahme des BAT-Abschlusses bereits angekündigt. In der bayerischen Regional-KODA gibt es noch Streit hinter den Kulissen, ob die Einmalzahlung von der Vergütungsübernahme-Automatik erfaßt ist oder nicht. Doch diesen Streit klärt notfalls das KODA-Gericht. Die KODA in NW, bislang klug im Windschatten der AK segelnd, sieht sich auf einmal in eine Vorreiterrolle für 1999 gedrängt und wird ihrerseits sicher nicht auf einen BAT-Ausstieg drängen wollen. Auch die Mitarbeiterseite der Ost-KODA hat die Nase voll von eigenmächtigen BAT-Abänderungen, für die sie dann von allen Seiten geprügelt wird und wird sich daher künftig bei Abweichbestrebungen wohl eher etwas zögerlich zeigen.

 

Kommunikationsprobleme?

Das bedeutet, daß der politische innerkirchliche Druck auf die Dienstgeberseite zunehmen wird und Zweifel an der politischen Weitsicht und Klugheit der Dienstgeberbank in der Arbeitsrechtlichen Kommission genährt werden. Denn sie steht auch unter Druck aus den eigenen Reihen. Die großen Trägerverbände sehen ihre Interessen in der AK schon lange nicht mehr vertreten, sind nicht in die Verantwortung eingebunden und haben daher keine Hemmungen, aus den AVR nach Belieben auszusteigen (s. Malteser, CTT, Stiftung Liebenau, DO). Die Krankenhäuser mißbrauchen. inzwischen den Fachverband katholischer Krankenhäuser als Arbeitgeberverbandsersatz, um ihren Forderungen Gehör zu verschärfen. Und der Tarifbereich Ost sieht sich schon lange von den AK-Wessis untergebuttert und pflegt (un)heimlich(e) Abspaltungsgedanken. Aber alle zusammen drängen plötzlich in die AK, um dort mitzuspielen, wo derzeit die Musik gemacht wird.

 

Weiterentwicklung

Unerwartete Hilfestellung erhielt die Dienstnehmerseite von etlichen Referenten und Gesprächsforen auf der Fachtagung in Mainz zum Thema: Die Weiterentwicklung der AVR.

So erklärte etwa Martina K. Scheurer vom Bundesverband der Arbeitgeberverbände BDA, die AVR seien in Sachen Öffnungsklauseln gewerblichen und Industrie-Tarifverträgen um Meilen voraus (hört, hört!); dort würde man noch um das verhandeln, was die AVR bereits zu bieten hätten. Auch in Sachen Mobilzeit könnten die AVR locker mithalten. Etwas aufwendig und daher reformierbar seien die Vergütungsbestimmungen. Allerdings nicht ihrer monetären Opulenz, sondern ihrer epischen Breite wegen.

In Sachen "leistungsbezogenerer Vergütung" überwog die praxisfundierte Skepsis von Johannes Janßen vom PWV/NW gegenüber befürwortenden theoretischen Argumenten. Gerade im Dienstleistungssektor und erst recht in der "Beziehungsarbeit" seien alle anderen Motivationsformen der pekuniären vorzuziehen. So bewirkten z.B. persönliche Anerkennung, eine partnerschaftliche Unternehmenskultur, fähige und ausgebildete Führungskräfte und ein Perspektiven eröffnendes und förderndes Personalentwicklungskonzept weit mehr als der einmalige und nur kurzfristig wirksame Kick eines finanziellen Anreizes.

Fazit der Tagung, die von Norbert Beyer konzipiert (und von Mitarbeiterseite wesentlichmitgestaltet worden war): Die AVR sind weit besser als ihr Ruf. Doch es gibt noch einiges zu tun, vor allem bei der Vereinfachung der Vergütungsregelungen. Doch dieses Problem plagt auch den BAT, und auch dort ist man bereits heftig am Nachdenken überVereinfachungen. Man muß die Welt ja nicht immer selber neu erfinden, sondern könnte zur Abwechslung einmal den BAT abschreiben...

 

Parallelität mit der BAT-Vergütung!

Die Mitarbeiterseite hat jedenfalls klargestellt: Eine an sich wünschenswerte Weiterentwicklung der AVR findet künftig nur noch statt, wenn als deren Basis die Gehaltsparallelität mit den Vergütungen im Öffentlichen Dienst erhalten bleibt. Ohne dieses feste und solide Fundament hat es gar keinen Sinn, am AVR-Haus herumzubauen. Auch nicht mit Modellprojekten. Wer bauen will, muß sich als erstes um stabile Fundamente kümmern. Sonst bleibt der Rest ein Luftschloß.

wbf 4/99

 

Neues aus Rechtsprechung und Gesetzgebung

Ortszuschlag: Gegenkonkurrenzen

Bitte lesen Sie das AK -. Magazin nicht nach Überfliegen der Überschrift zur Seite, weil ein Thema angesprochen ist, das Ihnen, Ihrer Personalverwaltung und anderen immer wie "böhmische Dörfer" vorgekommen und Ursache mannigfachen Streites ist. Ein Urteil des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts ist geeignet, einen großen Teil der in Caritaseinrichtungen gängigen "Ortszuschlagskonflikte" zwischen MAV und Dienstgebern zu beenden.

Es geht um die Fälle, in denen die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter im AVR -Bereich, die Ehepartnerin oder der Ehepartner außerhalb des AVR - Bereichs (oder außerhalb des katholischen oder evangelischen kirchlichen Bereichs) beschäftigt und ortszuschlagsberechtigt ist. Abschnitt V Absatz (h), Unterabsatz 2 der Anlage 1 gesteht den AVR-Beschäftigten nurden Ortszuschlag der Stufe 1 zu. Die Konflikte entstehen vor Ort dann, wenn der Arbeitgeber des außerhalb beschäftigten Partners unter Berufung auf sein eigenes Tarifwerk die Erhöhungsbeträge zum Ledigen-Ortszuschlag der Stufe 1 nur anteilig zahlt und die bei uns Beschäftigten daraufhin von ihrem AVR-Dienstgeber vergeblich den Ausgleichsbetrag verlangen.

Das Bundesarbeitsgericht hat diesen Streit nunmehr entschieden und festgestellt, da sich die Caritas in ihrem Tarifwerk AVR zulässigerweise von den familienbezogenen Anteilen des Ortszuschlages entlastet und diese dem Arbeitgeber der außerhalb Beschäftigten aufbürdet - sog. Gegenkonkurrenzklausel.

Etwaige Ansprüche sind also nicht gegenüber dem AVR - Dienstgeber geltend zu machen!

BAG, Urteil vom 11. 11. 1997-3 AZR 600/96 in ZTR 98, 317)

 

Rechtsprechungshinweis für Teilzeitbeschäftigte zur Geriatriezulage:

"Teilzeitbeschäftigten Pflegekräften, die zeitlich überwiegend (im Verhältnis zu ihrer individuellen Gesamtarbeitszeit) die Grund- und Behandlungspflege bei Kranken in geriatrischen Abteilungen bzw. Stationen oder Pflegepersonen in Einrichtungen der Altenhilfe ausüben, steht die Geriatriezulage in voller Höhe zu. Soweit Abschnitt lla Absatz (b) der Anlage 1 zu den AVR bestimmt, die Zulage an Teilzeitbeschäftigte nur anteilig zu zahlen, ist die Vorschrift als nichtig anzusehen."

Diese Rechtsfolge werden Sie in absehbarer Zeit aus den AVR oder aus der Rechtsprechung ableiten können, wenn das Urteil des LAG Hamm vom 24. September 1998 - 17 Sa 682/98 -, veröffentlicht in ZTR 99, Seite 32, vom Bundesarbeitsgericht bestätigt oder die Revision zurückgenommen werden sollte. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist zu § 34 Absatz 2 BAT in Verbindung mit Protokollerklärung Nr. 1 der Anlage 1b ergangen, die für Pflegekräfte in Krankenhäusern gilt. Die Arbeitsrechtliche Kommission hat die gleichlautende Bestimmung für ihren Bereich durch Anmerkung 1 zu Anlage 2a lediglich um die Pflegekräfte in stationären Einrichtungen der Altenhilfe erweitert.

Zur Vermeidung von finanziellen Nachteilen empfehlen wir allen betroffenen Teilzeitkräften, die die Zulage nicht in voller Höhe von DM 90,- erhalten, ihre Nachzahlungsansprüche gegenüber dem Dienstgeber rückwirkend für die letzten 6 Monate sowie für die Zukunft schriftlich mit Angabe des Bruttofehlbetrags geltend zu machen. Zur Wahrung der Ansprüche genügt anstelle der schriftlichen Geltendmachung durch die einzelnen auch, daß der Dienstgeber seiner MAV gegenüber verbindlich erklärt, er werde zur Vermeidung unnötigen Verwaltungsaufwandes die Ausschlußfrist des § 23 AVR unbeachtet lassen und allen Zahlungsverpflichtungen aus der Geriatriezulage nachkommen.

Sollte das BAG anders entscheiden, ist die Mühe freilich vergeblich gewesen.

 

Gesetzesänderungen

Am 19. Dezember 1998 hat der Bundestag auf Antrag der rot-grünen Koalition einige Gesetze der Vorgängerregierung mit Wirkung zum 1. Januar 1999 rückgängig gemacht und darüber hinaus durch Verwaltungsanordnungen alte Rechtszustände entsprechend den im Wahlkampf gegebenen Versprechen wieder hergestellt:

 

Anrechnung von Abfindungen auf das Arbeitslosengeld

Ab 1. April 1999 sollten Abfindungen, die bei Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werden, nach derzeit noch geltender Gesetzeslage oberhalb bestimmter Freigrenzen zur Hälfte auf das Arbeitslosengeld angerechnet werden. Diese Anrechnung wird, wie Presseverlautbarungen vom 19. Januar 1999 zu entnehmen ist, nach einem Treffen des Arbeitsministers mit Gewerkschaften und Arbeitgebern ausgesetzt, also von der Arbeitsverwaltung nicht praktiziert.

 

Altersrente für Schwerbehinderte / Berufsunfähige / Erwerbsunfähige

Versicherte, die das 60. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben, haben Anspruch auf Altersrente, wenn sie bei Beginn der Rente als Schwerbehinderte anerkannt (oder berufsoder erwerbsunfähig) sind. Für nach dem 31. Dezember 1940 Geborene wird die Altersgrenze angehoben, es sei denn, sie sind bis zum 10. Dezember 1943 geboren und waren am 10. Dezember 1998, dem Tag der Bundestagsentscheidung, bereits schwerbehindert (oder berufs/erwerbsunfähig).
Vorzeitiger Rentenbezug mit Abschlägen bleibt möglich.

Mit diesen Regelungen werden einige Verschlechterungen in der Rente durch das Reformgesetz 99 der alten Regierung bis zum Ende des Jahres 2000 ausgesetzt (einschließlich der Anwendung des sog. demographischen Faktors, der eine abgesenkte Anpassung bis auf ein Rentenniveau von 64 % vorsah). Erfüllt ein/e Rentenantragsteller/in die Voraussetzungen für mehrere Renten, wird nur die höchste Rente geleistet. Die Änderungen sind vor allem von Mitarbeiter/innen zu beachten, die Altersteilzeit beabsichtigen. Vor Januar 99 erteilte Rentenauskünfte sind damit teilweise überholt.
Die weitere Entwicklung der Rentengesetzgebung sollte sorgfältig beobachtet werden. Nach unserer Auffassung wird auch die neue Regierung das Ziel der Beitragsstabilität nicht erreichen können, ohne Maßnahmen zu ergreifen, die den Anstieg der Rente mindern,.

 

Altersteilzeit

Ebenfalls am 18. Dezember 1998 ist die Verordnung über die - erhöhten - Mindestnettobeträge nach dem Altersteilzeitgesetz für das Kalenderjahr 1999 aktualisiert und im Bundesgesetzblatt Teil l, Nr. 85 veröffentlicht worden. Für die Anwendung im Rahmen der AVR ist zu beachten, daß eine Hochrechnung von 70 auf 83 Prozent vorzunehmen ist. Damit sind die Tabellen des Jahres 1998 ungültig.

 

Kündigungsschutzgesetz

Das Kündigungsschutzgesetz gilt seit 1. Januar 1999 (wieder) für alle Betriebe und Verwaltungen, die mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigen. Die Zahl "5" wird ermittelt, indem Teilzeitbeschäftigte mit Arbeitszeiten bis zu 20 Stunden wöchentlich mit 0,5, die mit bis zu 30 Stunden wöchentlich mit 0,75, die mit darüber hinausgehender Stundenzahl mit 1 angesetzt werden.

Hierdurch wird erreicht, daß Dienstgeber die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes nicht mehr dadurch vermeiden können, daß sie vermehrt Teilzeitbeschäftigte mit geringen oder unbestimmten wöchentlichen Arbeitszeiten einstellen (z. B. in Sozialstationen!). So ist für einen nicht unerheblichen Teil von Beschäftigten karitativer Einrichtungen der Weg wieder frei, Kündigungen vor Schlichtungsstellen und vor dem Arbeitsgericht auf ihre soziale Rechtfertigung hin überprüfen zu lassen. Gleichzeitig wurde für betriebsbedingte Kündigungen die Beschränkung der sozialen Gesichtspunkte auf die Grunddaten "Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten" aufgehoben, so daß daneben auch hiervon abweichende soziale Kriterien umfassend berücksichtigt werden können, wie beispielsweise Behinderungen, Arbeitsmarktchancen oder familiäre Erschwernisse. Auf deren Bedeutung im Rahmen der Kündigungsanhörung nach §§ 30,31 MAVO sei ausdrücklich hingewiesen.

In dem geänderten Kündigungsschutzgesetz wird darüber hinaus den Tarifvertragsparteien und den Betriebspartnern des Betriebsverfassungsgesetzes die Möglichkeit eröffnet, die Gewichtung der sozialen Gesichtspunkte zueinander im Rahmen von Interessenausgleich und Sozialplan weitgehend selbständig zu regeln. Die Zukunft wird zeigen, ob die kirchlichen Normgeber diesen Hinweis des Gesetzgebers als für sich verbindlich ansehen und umsetzen. Grund genug hätten sie wohl.....

Die Öffnung des Kündigungsschutzgesetzes auf Einrichtungen mit mehr als 5 Arbeitnehmern gilt auch für die Überprüfung durch Schlichtungsstellen oder Gerichte, ob die Befristung eines Dienstvertrages rechtswirksam ist.

 

Bundesurlaubsgesetz Entgeltfortzahlungsgesetz Anrechnung von Urlaub bei Kuren

Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation dürfen seit 1.1. 1999 nicht (mehr) auf den Urlaub angerechnet werden, soweit ein Gehaltsfortzahlungsanspruch nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz besteht. Es ist zu hoffen, daß damit die unseligen Meinungsverschiedenheiten und Ungleichbehandlungen bei AVR-Anwendern beendet sind, und niemand aus purer Rechthaberei die nur für die Vergangenheit relevanten Verfahren fortführt.

Der Bundesinnenminister hat für seinen Geschäftsbereich angeordnet, daß Urlaubstage, die im Jahre 1998 auf Kuren angerechnet worden sind, gutgeschrieben werden müssen. Das Referat Arbeitsrecht des Deutschen Caritasverbandes empfiehlt den Caritas-Dienstgebern dasselbe. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber die Überstunden aus der gesetzlichen (100%-) Gehaltsfortzahlung herausgenommen. Es besteht Anlaß zu dem Hinweis, daß hierdurch "die Fortzahlung nach den AVR, die Überstunden einschließt, nicht geändert worden ist. AVR-Dienstgeber und Mitarbeitervertretungen haben die Möglichkeit, durch die Vereinbarung von Arbeitszeitkonten Überstunden aus der Gehaltsfortzahlung herauszunehmen.

 

Nachweisgesetz

Das auf Europarecht beruhende und durch den Europäischen Gerichtshof inhaltlich konkretisierte - mit Wirkung vom 3.7.1998 geänderte - Nachweisgesetz soll den einzelnen Mitarbeiter/innen mehr Informationen über die Tätigkeiten verschaffen, die sie nach dem Inhalt ihres Dienstvertrages zu verrichten haben. Diesem Informationsrecht, dem eine entsprechende Informationspflicht des Dienstgebers entspricht, wird durch allgemein übliche Beschreibungen wie Sozialarbeiter, Verwaltungsangestellte, Pflegekraft, hauswirtschaftliche Hilfskraft nicht ausreichend genüge getan. Erforderlich ist vielmehr eine kurze schriftliche Charakterisierung oder Beschreibung der von den Beschäftigten zu leistenden Tätigkeiten (einschließlich der Angabe des Arbeitsortes), die vom Dienstgeber zu unterzeichnen und auszuhändigen ist (Ausnahme: Aushilfs- und gelegentliche Tätigkeiten von nicht mehr als 400 Stunden).

Durch die gesetzlich vorgeschriebene und auch für bereits bestehende Dienstverträge geltende "Nachweispflicht" kann eine Einengung des Dienstvertrages und damit eine Einschränkung des Direktionsrechts eintreten.

Oder anders ausgedrückt: Umsetzungen, Abordnungen, Versetzungen oder die Zuweisungen anderer als der beschriebenen Tätigkeiten sind erschwert und bedürfen darüber hinaus ggfs. der Zustimmung der MAV.

 

Insolvenzordnung

Seit dem 1. Januar 1999 ist die neue Insolvenzordnung in Kraft. Sie bringt Vorteile für Schuldner, aber Nachteile für von Insolvenz ihres Arbeitgebers betroffene Arbeitnehmer. Die nach altem Konkursrecht bevorrechtigten Arbeitnehmerforderungen sind nach der neuen Insolvenzordnung nicht mehr privilegiert, sondern "einfache", häufig leider nicht realisierbare Insolvenzforderungen.

 

"Arbeitsrecht aktuell"

Unter diesem Rundbrieftitel veröffentlicht und interpretiert das Referat Arbeitsrecht des Deutschen Caritasverbandes seit Ende Juli 1997 - jeweils in Vierteljahresabständen - neuere Rechtsentscheidungen, Gesetzesvorhaben und andere für den täglichen Umgang mit den AVR wichtige Vorschriften.

Der Rundbrief ist an die Arbeitsrechtsreferenten/innen der Diözesan-Caritasverbände gerichtet und wird von dort als Kopie an die Einrichtungen weiter verteilt. In der neuesten Ausgabe von Januar 1999 warnt das Referat eindringlich davor, geringfügig Beschäftigte untertariflich zu bezahlen, wenn die Voraussetzungen der Anlage 18 nicht komplett vorliegen (ausdrückliches Einvernehmen, Angabe der Beträge, auf die verzichtet wird, und Belehrung über die sozialversicherungsrechtlichen Folgen sowie das Widerrufsrecht!)

Damit Sie denselben Kenntnisstand wie Ihr Dienstgeber haben, empfehlen wir Ihnen, sich jeweils ein Exemplar zu besorgen. Wir bitten um Nachricht, wenn Ihre Bemühungen erfolglos sein sollten. Erhalten wir keine Fehlmeldungen, gehen wir davon aus, da den Mitarbeitervertretungen vor Ort der Inhalt von "Arbeitsrecht aktuell" geläufig ist.

 

Arbeitgeberverband?

Ein Reizwort machte die Runde unter den Teilnehmern an der Mainzer Fach-Tagung der Arbeitsrechtlichen Kommission zur "Weiterentwicklung der AVR": Kommt der caritative Arbeitgeberverband, gar einer ökumenischen und nicht nur ökonomischen Zuschnitts?

Die evangelische Konkurrenz ist da den Katholen zum Neidwesen der großen Träger um eine Nasenlänge voraus. Der VdDD (oder salopp V3D), der "Verband diakonischer Dienstgeber Deutschlands", leistet hier Pionierarbeit - auch inhaltlicher Art. So hat er z.B. ein Gutachten in Auftrag gegeben, ein neues Entgeltsystem für die Diakonie zu entwickeln. Dieses liegt inzwischen vor und kann bei den zuständigen Gewerkschaften (ÖTV, GEW, oder DAG) angefordert werden.

Auf einer ökumenischen Tagung von Dienstgebervertretern großer Träger Anfang des Jahres in München wurde das neue Vergütungskonzept vorgestellt und außerdem schon mal freudiges Begrüßen eines Arbeitgeberver-bandes eingeübt. Würde diese Idee Wirklichkeit, dann wäre es vermutlich nur noch ein kleiner Schritt zu einem eigenständigen und unabhängigen Dienstnehmerverband.

Für die Kirche stellte sich dann die Frage, ob sie den gegen ihren erkärten Willen so einfach den Gewerkschaften, bzw. der schon fast endgültig beschlossenen "Dienstleistungsgewerkschaft" überlassen soll. Und ganz spannend wäre natürlich die Frage, ob mit der zukünftigen Bildung dieser beiden Koalitionsverbände der erste Schritt in Richtung eines "Zweiten Weges" in der Katholischen Kirche, speziell für den Bereich der Caritas und der ihr angeschlossenen Fachverbände, Träger und Einrichtungen gemacht werden soll.

 

Von wegen, es tut sich nichts bei Kirchens! Richtig angst und bange könnte einem werden, wenn man Zeit dazu hätte!

wbf